The Old Oak

Gründer und Chefredakteur von nochnfilm.de. Fan der kleinen, aber äußerst feinen Filme. Zwischendurch darf es auch gerne mal ein Blockbuster sein. In allen Genres zu Hause, aber ständig auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsfilm.

Der britische Regisseur Ken Loach ist für seine sozialkritischen Dramen bekannt, in denen er sich unerbittlich den Menschen am Rand unserer Gesellschaft widmet. So auch in seinem vermutlich letzten Film THE OLD OAK, in dem er seinen Glauben an das Gute im Menschen nicht aufgibt.

Es ist der letzte verbliebene öffentliche Raum der einst blühenden, nordenglischen Bergbaugemeinde im Norden Englands, und TJ Ballantyne (Dave Turner) setzt alles daran, den einzigen noch existierenden Pub THE OLD OAK am Leben zu erhalten. Als plötzlich syrische Flüchtlinge im Dorf untergebracht werden sollen, ist die Ablehnung der Bewohner groß und TJ steht ein wenig zwischen den Stühlen. Er hat sich mit der jungen Syrerin Yara (Ebla Mari) angefreundet, was ein paar seiner Gäste eher negativ kommentieren. Als sie die Bilder aus rosigen Zeiten an den Wänden des mittlerweile geschlossenen Saals des Pubs sieht, kommt ihr eine Idee: Warum nicht diesen Raum für gemeinsame Essen zwischen den auf den ersten Blick grundverschiedenen Menschen nutzen. Uns so beginnt etwas Magisches, dass sich kaum noch aufhalten lässt – würde es da nicht ein paar ewig Gestrige geben…

Sein Leben lang hat Ken Loach in seinen Filmen die Missstände unserer Gesellschaft angeprangert. Ob es um die Abgehängten des Gesundheitssystems in „Ich, Daniel Blake“ geht, oder die Probleme der Paketzusteller in „Sorry We Missed You„, immer legt der Brite den Finger direkt in die Wunde. Als ich ihn 2019 zu beim Filmfest Hamburg interviewen durfte, stellte ich ihm u.a. die Frage, ob er jemals erlebt hätte, dass sich Missstände aufgrund seiner Filme geändert hätten. Er verneinte, was mich bis heute erschüttert. Umso erstaunlicher, dass er trotzdem die Hoffnung niemals aufgegeben hat und einen Film nach dem anderen gedreht hat. Jetzt, mit 87 Jahren, hat er angekündigt, dass THE OLD OAK sein letzter Film sein würde. Es stimmt mich tatsächlich ein wenig traurig, dass diese wichtige Stimme des Films nun verstummen wird.

Jetzt könnte man seinem letzten Film gegenüber gnädig gestimmt sein, aber das ist überhaupt nicht notwendig – denn Loach liefert auch mit THE OLD OAK wieder ab. Schließlich führt er uns etwas vor Augen, das nicht nur in Großbritannien aktueller denn je ist: Der Hass auf Flüchtlinge. Geschickt entlarvt Loach den Irrglauben der sozial Abgehängten, dass es ihnen ohne die Flüchtlinge besser gehen würde. Obwohl das eigentlich jedem klar sein müsste, verbreitet sich diese Annahme nach wie vor wie ein Lauffeuer.

Vielleicht driftet Ken Loach am Ende ein wenig zu weit ins Märchenhafte. Ja, das mag man kritisieren. Aber vielleicht möchte er uns auch einfach nur sagen, dass es sich immer lohnt, an das Gute im Menschen zu glauben. Vielleicht ist das so etwas wie das Letzte, was uns als Gesellschaft noch zusammenhält. In jedem Fall ist es aber etwas, dass es zu bewahren gilt – um jeden Preis der Welt.