Der Film der Woche

Nawalny

05.05.2022

Die Geschichte rund um die Vergiftung des russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny ist schier unglaublich. Jetzt hat der Regisseur Daniel Roher sie zu einer Art Doku-Thriller verarbeitet und legt damit den perfiden Umgang Putins mit seinen Gegnern offen.

August 2020. Gerade erst hat Alexei Nawalny ein Flugzeug bestiegen, um aus Sibirien nach Moskau zurückzukehren. Kurz nach dem Start klagt er über Unwohlsein. Da sich sein Zustand rapide verschlechtert, entscheiden sich die Piloten, auf den Flughafen der sibirischen Stadt Omsk auszuweichen. Das hat ihm vermutlich das Leben gerettet. Doch auch im Krankenhaus von Omsk verweigert man seiner Frau den Zugang zu ihm, und so wächst die Gefahr einer möglichen Vertuschung. Letztendlich gelingt es ihnen, Nawalny nach Berlin auszufliegen, wo er umgehend in der Charité behandelt wird.

Roher unterlegt die Erzählung mit Handyaufnahmen von Nawalnys Begleitern und lässt uns Zuschauer dadurch hautnah am Geschehen teilhaben. Es ist absolut beklemmend zu sehen, wie Yulia Nawalny verzweifelt in Omsk darum kämpft, zu ihrem Mann zu gelangen. Jedem ist sofort klar, was da ungesehen im Hintergrund passiert: Die Vertuschung eines Mordversuchs.

Nachdem in Berlin zweifelsfrei festgestellt werden konnte, dass Nawalny mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet wurde, ist das Erstaunen groß. Dieses Mittel wird nur in einer einzigen Fabrik in Moskau hergestellt, und ausschließlich der russische Geheimdienst hat darauf Zugriff. Während sich Nawalny in einer deutschen Kleinstadt im Schwarzwald von dem Attentat erholt, beginnt er mit seinem Team mit den ersten Nachforschungen. Wie wurde er genau vergiftet und vor allem von wem, sind hier die zentralen Fragen, die es zu beantworten gilt.

Detailliert erklärt der Film, wie man bei den Recherchen vorgegangen ist. Wir erfahren, warum es in Russland so leicht ist, an sensible Daten zu gelangen und wie das Team die Schlinge um die Mörder immer weiter zuzieht.

Kurz vor Veröffentlichung der Recherche-Ergebnisse in diversen Medienhäusern, die sich zu einem Investigativ-Recherche-Team zusammengeschlossen haben, wagt Nawalny dann das Unfassbare: Er ruft nach und nach die Männer an, die als Täter identifiziert worden sind. Und einer fängt tatsächlich an zu reden…

Auch wenn man die Geschichte bereits zur Genüge aus den Medien kennt, schafft es Daniel Roher, die Geschichte spannend aufzuarbeiten. Mit seinem Doku-Thriller-Stil überzeugt der Regisseur auf ganzer Linie. Ein starker Film über einen umso stärkeren Mann. Beeindruckend.

Als Nawalny dann im Januar 2021 nach Moskau zurückkehrt, sind viele skeptisch. Doch Nawalny selbst ist sich sicher, dass Putins Regime so etwas so schnell nicht wieder versuchen wird. Vielleicht war er an dieser Stelle einfach zu leichtgläubig, denn wie wir alle wissen, wird Nawalny noch am Flughafen abgeführt und sitzt seitdem in einem Straflager. In seinem erstaunten Gesicht ist in dem Moment zum ersten Mal wirkliche Angst zu sehen. Aber so, wie wir diesen Mann über die vergangenen 99 Minuten kennengelernt haben, ist schnell klar: Diese Geschichte ist noch lange nicht zu Ende.

Trailer

ab12

Originaltitel

Nawalny (USA 2022)

Länge

99 Minuten

Genre

Dokumentation

Regie

Daniel Roher

Verleih

DCM Film Distribution GmbH

Filmwebsite

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