Der Film der Woche

Eine moralische Entscheidung

20.06.2019

Als Kaveh Nariman bei einem nächtlichen Verkehrsunfall in Teheran ein Motorrad mit einer vierköpfigen Familie rammt, wird dabei der achtjährige Amir leicht am Kopf verletzt. Nariman, der als Gerichtsmediziner arbeitet, möchte sichergehen, dass es dem Jungen gut geht. Er drängt Amirs Vater Moosa, seinen verletzten Sohn direkt ins Krankenhaus zu bringen, bietet ihm sogar Geld als Entschädigung für alle Unkosten an, das dieser widerstrebend annimmt. Am nächsten Tag wird der Junge in Narimans Klinik zur Autopsie eingeliefert, er ist tot. 

Dr. Nariman glaubt, dafür die Schuld zu tragen. Vorerst spricht er mit niemandem über sein Geheimnis. Seine ihm nahestehende Kollegin Dr. Sayeh Behbahani dagegen diagnostiziert eine Lebensmittelvergiftung als Ursache. Ist also doch Amirs Vater verantwortlich, der seinem Sohn verdorbenes Fleisch zu essen gab? In ihrer wütenden Trauer macht Leila ihrem Mann Moosa schwere Vorwürfe. Während Nariman fieberhaft versucht, die Wahrheit herauszufinden, sinnt Moosa auf Rache an den aus seiner Sicht Verantwortlichen…

Kritik

Aus dem Iran kommt mit EINE MORALISCHE ENTSCHEIDUNG ein starker Film, der eine eigentlich recht unscheinbare Geschichte erzählt, die aber zeigt, wie wichtig es für eine Gesellschaft ist, sich den Humanismus zu bewahren…

Vor zwei Jahren lief der Film bereits auf dem Filmfest Hamburg, das ja bekanntlich immer wieder und gerne Filme aus dem Iran zeigt. NO DATE, NO SIGNATURE, als „Kein Datum, keine Unterschrift“ erzählt dabei von einem zutiefst menschlichen Dilemma, in der sich der Arzt Dr. Nariman befindet. Schließlich sieht er sich verantwortlich am Tod eines achtjährigen Jungen, mit dem er am Vorabend in einen Unfall verwickelt war. Obwohl er alles Menschenmögliche getan hat, um diesen fatalen Tod zu verhindern und auch die Obduktion eine andere Todesursache hervorbringt, fühlt sich der Arzt in der Verantwortung. 

Im Gegensatz zu anderen aktuellen Vertretern des iranischen Kinos schlägt EINE MORALISCHE ENTSCHEIDUNG einen anderen Weg ein und versucht nicht, die persönliche Geschichte auf eine politische Ebene zu stellen. Nein, der Regisseur Vahid Jalilvand setzt in seiner zweiten Regiearbeit als auf den menschlichen Gewissenskonflikt. Dabei entpuppt sich der Hauptdarsteller Navid Mohammadzadeh als wahrer Glücksgriff, denn ihm gelingt es, den Zuschauer allein durch seine Mimik, die in vielen Großaufnahmen deutlich im Vordergrund steht, an seinem inneren Dilemma teilhaben. 

Dabei ist dies nicht die einzige moralische Entscheidung, die es im Film zu fällen gilt. Vielmehr lässt sich der Titel auf viele Aktionen im Film ausweiten, auf die immer auch eine entsprechende Reaktion folgt. Und da eine Moralvorstellung auch immer ein Spiegelbild der jeweiligen Gesellschaft ist, bietet der Film, wie bereits eingangs erwähnt, einen interessanten Blick auf die des heutigen Irans. 

EINE MORALISCHE ENTSCHEIDUNG ist ein sehenswerter Film, der auch in jedem anderen Teil der Welt spielen könnte. Ein Blick auf den Humanismus und wie wichtig es ist, ihn sich zu bewahren. 

Trailer

ab12

Originaltitel

No Date, No Signature (Iran 2017)

Länge

103 Minuten

Genre

Drama

Regie

Vahid Jalilvand

Drehbuch

Ali Zarnegar, Vahid Jalilvand

Darsteller

Navid Mohammadzadeh, Amir Agha’ee, Hediyeh Tehrani, Zakiyeh Behbahani, Sa’eed Dakh, Alireza Ostadi

Verleih

Farbfilm Verleih GmbH

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