Eileen

Autor: Jan-Barra Hentschel

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

2016 überraschte uns der britische Regisseur William Oldroyd mit seinem grandiosen Debütfilm „Lady Macbeth“ – mit der blutjungen und damals noch total unbekannten Florence Pugh in der Titelrolle. Inzwischen ist sie längst ein Hollywoodstar – doch William Oldroyd brauchte sieben (!) Jahre, um seinen zweiten Film in die Kinos zu bringen: den Psychothriller EILEEN. Doch das Warten hat sich gelohnt!

Massachusetts, 1964, kurz vor Weihnachten: Die junge, scheue Eileen Dunlop (Thomasin McKenzie) arbeitet im nahegelegenen Jugendgefängnis als Sekretärin und lebt mit ihrem jähzornigen, alkoholkranken Vater Jim (Shea Whigham) in einer heruntergekommenen Wohnung. Bei ihrer Arbeit lernt sie die mondäne Rebecca Saint John (Anne Hathaway) kennen, die ihren neuen Job als Erziehungsberaterin in der Anstalt antritt. Unwiderstehlich fühlt sich die unscheinbare Außenseiterin Eileen von der mysteriösen, charismatischen Frau angezogen. Ist das nur Bewunderung – oder vielleicht auch ein bisschen mehr?

Heimlich beobachtet sie ihre neue Kollegin und stößt auf Rebeccas dunkles Geheimnis: Warum interessiert sich diese besonders für den jugendlichen Straftäter Lee Polk (Sam Nivola) und dessen Mutter (Marin Ireland)? Ohne es zu wollen und ohne es verhindern zu können, wird Eileen allmählich in ein grauenvolles Verbrechen hineingezogen…

Weitere Details verbietet das uns allen bekannte Spoilern. Bei Psychothrillern sollte man so wenig wie möglich verraten. Und das ist auch gut so!

Regisseur William Oldroyd gelingt es mit nur wenigen Andeutungen, uns in einen faszinierenden und gefährlichen Sog hinabzuziehen. Hier stimmt jede Geste, jede Kamerabewegung. Und er hatte zwei geniale Schauspielerinnen an seiner Seite. Anne Hathaway hatte in der Vergangenheit nicht immer Glück bei ihrer Rollenauswahl – vieles wirkt bei ihr gelegentlich allzu glatt. Doch hier überzeugt sie als zwielichtige Schöne mit Geheimnis – als klassische Hollywood-Femme-fatale aus moderner Sicht. Und die Neuseeländerin Thomasin McKenzie ist seit ihrem sensationellen Kinodebüt in „Leave No Trace“ eine Offenbarung. In EILEEN spielt sie eine ähnliche Rolle wie in Edgar Wrights Meisterwerk „Last Night in Soho“: In beiden Fällen gerät sie als verhuschtes Mädchen in den Sog einer rätselhaften Glamour-Frau.

Regisseur William Oldroyd gelingt es mit EILEEN, uns in jeder Szene zu verunsichern. Dürfen wir unseren Augen trauen? Er geht sogar so weit, dass man die Figur der Rebecca auch als Eileens Wunschbild deuten kann, die nur in ihrer Vorstellung existiert. Diesen Schwebezustand hält er bis zum Schluss durch! Was will man mehr…

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