Die Purpursegel

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Dieser wunderschöne Film hat nur einen Nachteil – und die Erklärung wirkt überraschend ungewöhnlich. DIE PURPURSEGEL von Pietro Marcello nach dem gleichnamigen Roman des russischen Sozialisten Alexander Grin ist mit seinen 105 Minuten in meinen Augen einfach zu kurz – dieses Thema verlangt einen epischen Atem. Drei Stunden lang – und er wäre ein Film des Jahres. Denn vieles wird hier nur angedeutet. Man hat sich in eine Episode verliebt, und plötzlich ist diese schon wieder zu Ende. Das nennt man Probleme eines Filmkritikers…

1918, ein Dorf in Nordfrankreich: Der schrullige Raphaël (Raphaël Thiéry) kommt gebrochen aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Seine Frau ist bei der Geburt der gemeinsamen Tochter gestorben, die er nun allein aufziehen muss. Er ist ein begnadeter Drechsler, kann Klavier spielen, singen und zeichnen. Und ist Juliette (Juliette Jouan als sensationelle Neueindeckung) ein liebevoller Vater. Beide wohnen auf dem Hof der aufgeweckten Adeline (Noémie Lvovsky), die sich um alles kümmert.

Die nonkonformistische, rotzfreche Juliette lernt bei einem ihrer einsamen Streifzüge mitten im Wald eine geheimnisvolle alte Frau (Yolande Moreau) kennen, die ihr prophezeit: „Eines Tages werden dir Purpursegel am Himmel erscheinen.“ Doch sie lernt nur den Bruchpiloten Jean (Louis Garrel) kennen. Ist er der Traummann?

Man muss den massigen Raphaël Thiéry als sanften Riesen einfach lieben – und Juliette Jouan ist in ihrem Debüt mit ihrer eigenwilligen Schönheit eine Offenbarung. (In meinen Augen wirkt sie wie die französische Variante von Nora Tschirner.) Atmosphäre, visuelle Umsetzung – hier stimmt fast alles. Bis auf die Länge!