Die dänische Tragikomödie „Der Rausch“, mit der Regisseur Thomas Vinterberg den diesjährigen Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film gewann und die auch beim Europäischen Filmpreis 2020 der große Sieger war, hat eine traurige Vorgeschichte. Vinterberg wollte ursprünglich eine Komödie über den Alkohol drehen, und seine 19-jährige Tochter sollte darin mitspielen. Doch kurz vor Drehbeginn starb sie bei einem Autounfall in Belgien, und Vinterberg war nah daran, das Projekt abzublasen. Doch dann schrieb er das Drehbuch um – das Ergebnis ist ein zu Herzen gehender Film mit melancholischen Zwischentönen.
Vier Freunde in der Midlifecrisis arbeiten als Lehrer an einem Gymnasium in einer kleinen Hafenstadt nördlich von Kopenhagen. Alle Vier sind eher lustlos bei der Sache: Martin (Mads Mikkelsen) unterrichtet Geschichte, Tommy (Thomas Bo Larsen) Sport, Nikolaj (Magnus Millang) Philosophie und Peter (Lars Ranthe) Musik. Auf einer Geburtstagsfeier, bei der der abstinente Martin nach langer Zeit mal wieder Alkohol trinkt, kommen die vier Freunde auf eine verwegene Idee. Sie wollen die These des norwegischen Philosophen Finn Skårderud nachprüfen, der behauptet, dass der Mensch mit 0,5 Promille Blutalkohol zu wenig geboren wird. Also beschließen sie, ihren Unterricht mit genau diesen 0,5 Promille zu gestalten. Morgens wird auf der Schultoilette der eine oder andere Wodka gekippt – und dann geht’s los. Und sie haben Erfolg: Ihre Schüler haben wieder Spaß am Unterricht. Vor allem Martin blüht auf, seine Ehe mit Anika (Marie Bonnevie) ist eh auf dem Tiefpunkt. Wir ahnen es: Das Projekt läuft bald aus dem Ruder, es bleibt nicht bei den 0,5 Promille. Als Tommy völlig betrunken ins Lehrerzimmer torkelt, stehen die Vier vor einem Scherbenhaufen.
„Der Rausch“ hätte leicht ein „trockener“ thesenhafter Problemfilm werden können – nach dem Motto: Was macht der Alkohol mit uns. Doch Vinterberg umschifft mühelos die Gefahren. Mit hektischer Handkamera umkreist er ständig die vier Freunde. Diese Dynamik durchzieht den ganzen Film. Wie Dänemarks Superstar Mads Mikkelsen auf der Feier seinen ersten Alkohol seit langem trinkt und man sieht, wie sein Gesicht plötzlich von innen leuchtet – das ist große Schauspielkunst!
Das Ende ist mehrdeutig: Martin kommt von einer Beerdigung und wird von den Abiturienten aufgefordert mitzutrinken. Plötzlich fängt er an, am Hafenkai wie entfesselt ekstatisch zu tanzen. Man spürt: Das ist eine Mischung aus Trauer, Melancholie und purer Lebensfreude. Großes Finale eines großen Films!
Druk / Another Round (Dänemark 2020)
117 Minuten
Drama
Thomas Vinterberg
Thomas Vinterberg, Tobias Lindholm
Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Magnus Millang, Lars Ranthe, Maria Bonnevie, Helene Reingaard Neumann, Susse Wold
Weltkino Filmverleih GmbH