Deep Sea

Autor: Michael Spangenberg

Gründer und Chefredakteur von nochnfilm.de. Fan der kleinen, aber äußerst feinen Filme. Zwischendurch darf es auch gerne mal ein Blockbuster sein. In allen Genres zu Hause, aber ständig auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsfilm.

Chinesische Animationsfilme finden äußerst selten einen Weg auf die deutschen Kinoleinwände. Dem Münchener Verleih Leonine ist es nun zu verdanken, dass wir jetzt tatsächlich in den Genuss kommen, den unfassbar starken DEEP SEA bewundern zu dürfen. Ein wahres Fest für die Sinne!

Shenxiu geht mit ihrem Vater, dessen neuer Frau und ihrem kleinen Bruder an ihrem Geburtstag an Bord eines Kreuzfahrtschiffs. Sie sehnt sich nach ihrer Mutter, die die Familie verlassen hat und erinnert sich an eine Geschichte, die ihre Mutter erzählte: „Wenn du dir an deinem Geburtstag etwas wünschst, wird das magische Wesen Hyjinx den Wunsch in Erfüllung gehen lassen“. Als das Schiff in einen schweren Sturm gerät, geht Shenxiu über Bord und erwacht in einer fantastischen Unterwasserwelt aus wirbelnden Farben und faszinierenden Kreaturen. Ihr begegnet tatsächlich die vieläugige Hyjinx, die Shenxiu zu Nanhe bringt, einem vor Ideen und Einfällen sprühendem Koch und Kapitän auf einem verrückten Unterwasserrestaurant. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach Shenxius Mutter und dem Auge der Tiefsee. Shenxiu braucht dabei all ihren Mut, um dem gefürchteten Roten Phantom entgegenzutreten und lernt, schwere Stürme zu bestehen.

Aus Japan kennen wir die vielen Animes, die auch hierzulande etliche Fans haben. China hingegen ist nicht gerade für eine solche Kultur bekannt. Um überraschender ist es, dass DEEP SEA jetzt tatsächlich in unsere Kinos kommt. Allerdings wird der Film leider vermutlich ein wesentliches Problem haben: Er ist weit entfernt von der traditionellen Familienunterhaltung. Wer soll hier die Zielgruppe sein? Kinder? Jugendliche? Erwachsene? Oder gar alle zusammen? Schwer zu sagen…

Der Produzent des Film, Yi Qiao, ist Gründer und war Geschäftsführer von Chinas größter Animations- Produktionsfirma COLOROOM. Inzwischen ist er Präsident und leitender Produzent bei OCTOBER MEDIA. Er ist sich sicher, dass jede Altersgruppe etwas anderes aus dem Film mitnehmen kann: „Kinder lieben phantasievolle Welten – erleben ist für sie wichtiger als verstehen. Teenager können Einsamkeit erkennen – wie kann ein Mensch der Welt entgegentreten? Eltern werden vielleicht erkennen, dass es wichtig ist, die Emotionen ihrer Kinder zu verstehen.“

Regisseur Tian Xiaopengs wünscht sich, dass das Publikum sich fühlt, als hätten sie gerade geträumt, wenn sie den Kinosaal verlassen. Durch die nicht-lineare Erzählweise könnte zwar der eine oder die andere überfordert sein, aber vielleicht regt das zu Diskussionen nach dem Film an. Nach unserer Pressevorführung war das auf jeden Fall so, da einige Kollegen diverse Szenen unterschiedlich interpretiert haben.

In jedem Fall aber ist DEEP SEA visuell absolut überragend. Obwohl die Bilder am Computer entstanden sind, wirken sie immer wieder so, als würde man sich in einem riesigen Gemälde befinden. Das ist schlichtweg sensationell, denn die Szenen sind – im positiven Sinne – so überfrachtet, dass man kaum die Zeit findet, alles bei der ersten Sichtung zu erfassen. Dafür ist die Handlung mitunter aber auch zu hektisch – es gibt nur selten Momente, in denen der Film einmal zur Ruhe kommt. Aber solange man sich daran nicht stört, erwartet einen mit DEEP SEA einer der schönsten, innovativsten und beeindruckendsten Animationsfilme seit Langem.

Das Team rund um Tian Xiaopeng verbrachte übrigens sieben Jahre damit, den Film zu vollenden. Kein Wunder, schließlich musste man die Technik, die auf der Optik von chinesischer Tusche-Malerei basiert, erst einmal entwickeln. DEEP SEA ist viel mehr Arthouse als Animation – somit dürfte die Zielgruppe viel eher in Richtung der Erwachsenen gehen. In jedem Fall aber ist DEEP SEA ein Film, den man gesehen haben muss, um zu glauben, dass so etwas überhaupt möglich ist. Chapeau!

Trailer