Das Mädchen mit den goldenen Händen

17.02.2022

Auch zehn Jahre nach der Wende hat der Provinz-Mief die Ex-DDR noch nicht verlassen. Genau das zeigt das Melodram DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN auf eindringliche Weise. Die bislang nur als Schauspielerin bekannte Regisseurin Katharina Marie Schubert liefert hier ihr erstaunliches Spielfilmdebüt ab.

1999, kurz vor dem Millennium-Wechsel: In einem ostdeutschen Kaff will die in der Gemeinde sehr engagierte Gudrun (Corinna Harfouch) mit Freunden und Kollegen ihren 60. Geburtstag feiern. Für das Fest wurde das inzwischen leerstehende ehemalige Kinderheim des Städtchens, in dem sie aufgewachsen ist, liebevoll geschmückt. Ihre Tochter Lara (Birte Schnöink), die in Berlin beim Theater arbeitet, kommt extra angereist, obwohl sich Mutter und Tochter längst entfremdet haben. Sie soll die Geburtstagsrede halten und zeigt sie ihrem Stiefvater Werner (Peter René Lüdecke). „Der Text wird ihr nicht gefallen“, sagt sie trotzig. Im Laufe des Tages wird deshalb der sture Ehrengast „seine“ Rede selbst schreiben.

Gudruns Freundin Jutta (Gabriela Maria Schmeide) hat alles sorgfältig vorbereitet – doch das Geburtstagsständchen kommt nicht gut an. Die etwas verkrampfte Stimmung eskaliert, als bekannt wird, dass der Bürgermeister (Jörg Schüttauf) das ehemalige Kinderheim an ein solventes Konsortium verkaufen will, das das Haus zu einem Hotel umbauen möchte. Gudrun hatte eigentlich geplant, das Gebäude als Gemeindezentrum zu reaktivieren. Der Streit ist nicht zu kitten, und das Fest endet im Chaos.

Jetzt wird es dramatisch: Lara gehr in Berlin auf die Suche nach ihrem unbekannten Vater: Könnte es der Mallehrer Peter (Stephan Bissmeier) sein? Gudrun wird bei einem Fahrradunfall verletzt und landet im Krankenhaus. Sie entlässt sich selbst und beginnt vor dem Heim einen Sitzstreik. Zu dumm, dass sie dabei ohnmächtig vom Stuhl kippt.

Das ist doch alles starker Tobak aus der Provinz – die Handlung wirkt in meinen Augen stellenweise zu überladen. Das ist übrigens typisch für ein Debüt: zu viel in den Film hineinlegen zu wollen. Doch das ist verzeihlich! Katharina Marie Schubert gelingt das schonungslose Porträt eines spießigen Kaffs und einer Zeit, die wir so nicht mehr erleben wollen. Die langen Einstellungen des rumänischen Kameramanns Barbu Bălășoiu schaffen eine besondere Atmosphäre: Die Langeweile wird hier fast körperlich spürbar. Corinna Harfouch ist eine unser besten Schauspielerinnen: Doch eine so unsympathische Person wie Gudrun musste sie noch nie spielen. Aber sie schafft es, dass wir Zuschauer diese Figur nicht hassen.

P.S. Der Titel DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN bezieht sich auf ein Märchen der Brüder Grimm, dessen Pointe am Ende aufgelöst wird.

Trailer

ab12

Originaltitel

Das Mädchen mit den goldenen Händen (Deutschland 2021)

Länge

103 Minuten

Genre

Drama

Regie

Katharina Marie Schubert

Drehbuch

Katharina Marie Schubert

Darsteller

Corinna Harfouch, Birte Schnöink, Peter René Lüdicke, Jörg Schüttauf, Gabriela Maria Schmeide, Ulrike Krumbiegel, Stephan Bissmeier, Imogen Kogge

Verleih

Wild Bunch Germany GmbH

Filmwebsite

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