Cyrano

Autor: Michael Spangenberg

Gründer und Chefredakteur von nochnfilm.de. Fan der kleinen, aber äußerst feinen Filme. Zwischendurch darf es auch gerne mal ein Blockbuster sein. In allen Genres zu Hause, aber ständig auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsfilm.

Bereits 1897 veröffentlichte der französische Dichter Edmond Rostand sein Versdrama „Cyrano de Bergerac“, das binnen kürzester Zeit zu einem Welterfolg wurde. Nach etlichen Verfilmungen erscheint CYRANO nun zum ersten Mal als Musical auf der großen Leinwand.

Ob „Roxanne“ (1987) mit Steve Martin, „Cyrano de Bergerac“ (1990) mit Gérard Depardieu oder zuletzt „Das schönste Mädchen der Welt“ (2018) mit Luna Wedler – die Geschichte des von einer großen Nase entstellten Dichters wurde schon unzählige Mals verfilmt. Doch dieses Mal machen Regisseur Joe Wright und Drehbuchautorin Erica Schmidt einiges anders. Zuerst einmal hat Schmidt die Geschichte in ein Musical verwandelt, das sie im Goodspeed Theater in Connecticut aufgeführt hat. Dort standen bereits Peter Dinklage in der Rolle des Cyrano sowie Haley Bennett als Roxanne auf der Bühne. Als Wright dort die Vorstellung besuchte, war er von der Darstellung zutiefst bewegt. Denn in diesem Fall besaß Cyrano eben keine überdimensionale Nase, sondern war kleinwüchsig. „Ich glaube, bei jeder anderen Version hatte man das Gefühl, dass der Schauspieler – wie überzeugend er auch war – sich am Ende des Tages auf den Stuhl in der Maske setzt und sich die große Nase aus dem Gesicht zieht. Peter hat Cyrano eine eigene Wahrheit und Ehrlichkeit verliehen, die mich zutiefst berührt hat.“

Frankreich im 17. Jahrhundert: Der Offizier Cyrano de Bergerac (Peter Dinklage) ist nicht nur seiner Zeit voraus, sondern auch begabt – sowohl mit der Schreibfeder, als auch mit dem Degen. Allerdings ist er sich sicher, dass seine engste Freundin Roxanne (Haley Bennett) seine Liebe aufgrund seiner Statur niemals erwidern wird. Und so bringt er es nicht übers Herz, ihr seine Gefühle zu gestehen. Als sie ihm eines Tages offenbart, ein Auge auf den gutaussehenden Kadetten Christian (Kelvin Harrison Jr.) geworfen zu haben, hilft er ihm, Roxanne zu umwerben, indem er in Christians Namen Briefe an sie verfasst – und so seinen eigenen Emotionen Ausdruck verleiht.

Für die Songs zeichnen sich die Zwillinge Bryce und Aaron Dessner verantwortlich, beides Mitglieder der gefeierten Indie-Band „The National“. Die für ihren eigenwilligen Stil bekannte Band verleiht dem Soundtrack so etwas ganz Besonderes und lässt CYRANO von anderen bekannten Musicals unterscheiden. So gehen die Songs zwar nicht unbedingt direkt ins Ohr, sie passen aber perfekt zur melancholischen Geschichte.

Echte Musikliebhaber finden aber noch ein weiteres Highlight im Film oder vielmehr eine Stimme, die man aus Tausenden sofort heraushört: In einer Szene zum Song „Wherever I Fall“ schreiben drei Soldaten aus Cyranos Regiment kurz vor der großen Schlacht Briefe an ihre Angehörigen, wissend, dass sie vermutlich niemals lebend zu ihnen zurückkehren werden. Einer der Soldaten wird von keinem Geringeren als Glen Hansard verkörpert, der irischen Singer-Songwriter-Legende, die bereits den wunderschönen Film „Once“ geadelt hat. Hansards eindrucksvolle und herausragende Stimme verleiht dieser Szene so viel Glanz, dass es beinahe schon schade ist, dass man ihn nur in dieser einzelnen Szene hören kann.

Vermutlich hat Drehbuchautorin Erica Schmidt die Rolle des Cyrano Peter Dinklage auf den Leib geschrieben, schließlich sind die beiden bereits seit 2005 verheiratet. Das erweist sich aber als absoluter Glücksgriff, denn Dinklage ist in seiner Darstellung einfach überragend gut. Und wer hätte gedacht, dass der Mann sogar singen kann? Ich sicherlich nicht.

Mit CYRANO ist Joe Wright und Erica Schmidt ein kleines Meisterwerk gelungen, das dem alten Stoff von Rostand neues Leben einhaucht – ohne die Handlung in die Neuzeit zu verlegen. Chapeau!

Trailer