Mit ANOTHER GERMAN TANK STORY blickt Jannis Alexander Kiefer in seinem Spielfilmdebüt in den Mikrokosmos eines vergessenen Dorfs in der ostdeutschen Provinz…
Wiesenwalde, ein Dorf in der ostdeutschen Provinz: Hier liegt im wahrsten Sinne des Wortes der Hund begraben. Selbst der Bahnhof besteht lediglich aus einer Bank und einem Schild – aber das macht nichts, denn normalerweise steigt hier sowieso niemand aus. Der touristische Höhepunkt ist ein Brunnen mit einem Telemann-Denkmal, schließlich soll der Komponist einst auf der Durchreise hier übernachtet haben. Doch plötzlich ist das Dorf in Aufruhr, als eine amerikanische Crew hier eine Serie über den Zweiten Weltkrieg drehen will. Vor allem Bürgermeisterin Susanne (Meike Droste) wittert die große Chance, ihr Dorf wieder auf die Landkarte bringen zu können. Ihr Sohn Tobi (Johannes Scheidweiler) wird als Fahrer für die Crew engagiert, auch wenn keiner weiß, dass er eigentlich durch die Fahrprüfung gefallen ist. Angezogen von den Dreharbeiten taucht plötzlich auch Bert (Roland Bonjour) wieder im Dorf auf, ein Möchtegern-Journalist (und Susannes Ex-Freund), der auf die große Story hofft. Zeitgleich bereitet sich die Dorfälteste Rosi (Monika Lennartz) auf ihr nahendes Ende vor, während ihr junger Nachbar Wollfi (Alexander Schuster) nach einem Casting schon von einer Hollywood-Karriere träumt. Und Jenny (Gisa Flake), die Wirtin der Dorfkneipe, hofft endlich mal wieder auf ein volles Haus. Doch dann fällt im Dorf der Strom aus, und das ganze Projekt droht zu scheitern. Außerdem steht da noch ein Panzer im Garten von Susanne, den die Filmproduktion eigentlich schon längst abholen wollte…
Ein Sammelsurium verrückter Charaktere präsentiert uns Jannis Alexander Kiefer in seinem Langfilm-Debüt – einer seltsamer als der andere. Und es scheint fast so, als würde der Regisseur hier seinem ganz eigenen Rhythmus folgt. Zwar gibt es mit den Dreharbeiten eine Rahmenhandlung, diese umgeht ANOTHER GERMAN TANK STORY aber geschickt, indem er sie uns so gut wie ausschließlich auf der Tonspur zeigt: Hier und da hört man plötzlich Kampfgeräusche, selbst die von Tobi chauffierten Crew-Mitglieder oder Schauspieler:innen sieht man niemals im Bild. Ob das eher aus Budget-Gründen erfolgt ist oder eine bewusste Entscheidung war, hat sich mir nicht wirklich erschlossen. Aber eigentlich geht es auch nicht darum, sondern um diese diversen Figuren, die von der Zeit vergessen wurden – die jeder für sich selbst irgendwie versuchen, über die Runden zu kommen.
Auch wenn Kiefer selbst auf dem Bauernhof seiner Eltern aufgewachsen ist, wirkt ANOTHER GERMAN TANK STORY auf mich irgendwie zu sehr wie der Blick eines Großstädters auf die abgehängten Menschen in der ostdeutschen Provinz. Klar, die einzelnen Figuren sind stark überzeichnet, und Kiefers Ansinnen war es, einen Film über eine ungesehene Gesellschaft und ihre Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte zu drehen. Das gelingt ihm zwar größtenteils, aber ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass er sich seinen Figuren nicht auf Augenhöhe nähert, sondern auf sie herabblickt, indem er diverse Klischees erfüllt: Menschen auf dem Dorf können nur schlechtes bis gar kein Englisch sprechen, sind etwas zurückgeblieben, haben nie den Absprung geschafft oder horten immer noch irgendwelche Nazi-Devotionalien. So toll auch Kamera, Schnitt und Set-Design sind, diesen Abziehbildern hat ANOTHER GERMAN TANK STORY für meine Begriffe leider viel zu wenig entgegenzusetzen.
Bitte nicht falsch verstehen: ANOTHER GERMAN TANK STORY ist kein schlechter Film, keinesfalls, er macht nur für meine Begriffe zu wenig aus seiner Story. Ich bin aber durchaus gespannt, was wir in Zukunft noch von Jannis Alexander Kiefer sehen werden.
Another German Tank Story (Deutschland 2024)
96 Minuten
Komödie / Drama
Jannis Alexander Kiefer
Jannis Alexander Kiefer
Adam Graf
Johannes Scheidweiler, Meike Droste, Monika Lennartz, Roland Bonjour, Alexander Schuster, Gisa Flake, Susanne Bredehöft
Filmperlen Filmverleih