Der Film der Woche

The Ordinaries

30.03.2023

Als ich den Trailer für THE ORDINARIES zum ersten Mal gesehen habe, hat mein Cineasten-Herz mächtig Puls bekommen. Zum Glück kann auch der fertige Film von Sophie Linnenbaum auf ganzer Linie überzeugen!

In einer Welt, in der die Menschen streng unterteilt sind nach Hauptfiguren, Nebenfiguren und Outtakes, steht Paula (Fine Sendel) vor der größten Prüfung ihres Lebens: Sie muss beweisen, dass sie das Zeug zur Hauptfigur hat. Nichts wünscht sie sich mehr als ein großartiges Leben mit einer eigenen Storyline, großen Gefühlen und ganz viel Musik. Nicht wie ihre Mutter, die als Nebenfigur im Hintergrund arbeitet. Die Voraussetzungen sind gut: Sie ist Klassenbeste im Cliffhängen und beherrscht die Zeitlupe und panisches Schreien im Schlaf. Nur das Erzeugen emotionaler Musik will ihr partout nicht gelingen. Also macht sie sich auf die Suche nach einer Lösung und stößt dabei auf Ungereimtheiten beim Tod ihres Vaters, einer heldenhaften Hauptfigur. Ihre Nachforschungen führen sie letztendlich in die Welt der Outtakes – verachtete Menschen mit Filmfehlern, die am Rande der Gesellschaft leben. Dabei muss sie entdecken, dass es sich dabei nicht um gefährliche Rebellen handelt, wie man ihr immer wieder eingetrichtert hat, sondern um gebrochene Figuren mit echten Emotionen, die lediglich versuchen, in einer ungerechten Welt zu überleben. Langsam aber sicher beginnt Paula zu zweifeln – an sich, an ihrem Platz in der Geschichte, sowie an denen, die sie erzählen…

Die Idee, die Probleme unserer Gesellschaft in eine fiktive Filmwelt zu verlagern, ist schlichtweg genial. Problemlos lässt sich das Konstrukt aus Hauptfiguren, Nebenfiguren und Outtakes auf unsere Gesellschaft anwenden. Gesellschaftliche Schichten, die zwar in Abgrenzung voneinander existieren, sich aber gegenseitig beeinflussen und voneinander abhängig sind. Als Cineast wurde ich beim Sichten des Trailers hellhörig, wie bereits eingangs erwähnt. Für mich gab es daraufhin zwei Möglichkeiten, die der fertige Film aussehen könnte. Entweder sind im Trailer bereits alle filmspezifischen Metaphern verbraten, was den Film dann sehr langweilig machen könnte, oder dieser hat noch sehr viel mehr zu bieten. Zum Glück war Letzteres der Fall und so durfte ich den Kinosaal nach der Pressevorführung vollkommen beseelt verlassen.

Auch meine Befürchtung, dass die vielen Filmbegriffe vielleicht den Otto Normalkinogänger verschrecken könnte, bewahrheitete sich nicht. Nein, Sophie Linnenbaum hat hier eine Welt geschaffen, die so unfassbar kreativ ist, dass man sich selbst als Filmlaie gut aufgehoben fühlt.

THE ORDINARIES stellt zugleich Linnenbaums Abschlussfilm an der Filmuniversität Babelsberg dar, und es ist erfrischend zu sehen, dass sie sich bereits hier so viel zugetraut hat. Und der Film hat inzwischen eine bemerkenswerte Entwicklung hingelegt: Beim Filmfest München hat Linnenbaum zusammen mit ihren Produzentinnen Britta Strampe und Laura Klippel den Förderpreis Deutsches Kino bekommen und beim First Steps Award hat der Film als „bester abendfüllender Spielfilm“ gewonnen. Die Internationale Premiere feierte er im Wettbewerb des renommierten Internationalen Filmfestivals Karlovy Vary und gerade erst lief der Film beim South By Southwest Festival in Austin/Texas, sowie beim Glasgow Film Festival in Schottland. Nicht schlecht für ein Erstlingswerk.

Auch der Look des Films ist mehr als überzeugend. Nichts sieht hier aus wie ein Hochschulfilm mit Mikro-Budget, nein, das wirkt alles viel größer, u.a. dank eines wunderbaren Teams der Produktionsfirma Bandenfilm. wie Sophie Linnenbaum mir im Interview verraten hat.

Vermutlich wird es THE ORDINARIES wie jeder kleine Film an den heimischen Kinokassen schwer haben. Aber ich bitte jeden Leser inständig, diesem kleinen Meisterwerk eine Chance zu geben. Ich bin mir sicher, dass es niemand bereuen wird. Im Gegenteil!

Interview

Kurz vor Kinostart durfte ich mit der Regisseurin Sophie Linnenbaum ein wunderschönes Gespräch in meinem zweiten Wohnzimmer, dem Abaton-Kino in Hamburg führen. Leider hat sich meine Kamera dazu entschieden, gnadenlos zu übersteuern und den Fokus zu verlieren. Aus diesem Grund gibt es an dieser Stelle leider nur die Audio-Version unseres Gesprächs.

Trailer

ab12

Originaltitel

The Ordinaries (Deutschland 2022)

Länge

124 Minuten

Genre

Komödie / Drama

Regie

Sophie Linnenbaum

Drehbuch

Sophie Linnenbaum

Darsteller

Fine Sendel, Jule Böwe, Sira-Anna Faal, Noah Tinwa, Henning Peker, Denise M’Baye, Pasquale Aleardi

Verleih

Notsold GmbH

Filmwebsite

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