Sultanas Traum

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Dieser atemberaubende Animationsfilm hatte schon beim Filmfest Hamburg im Herbst 2023 alle Zuschauer verzaubert. Jetzt darf ihn jeder sehen. Niemand darf sich beschweren, wenn SULTANAS TRAUM der spanischen Regisseurin Isabel Herguera in Kunstmuseen statt in Kinos gezeigt wird. Denn der Film ist „reinste“ Kunst! Manche Episoden könnten von Paul Gauguin oder Pablo Picasso gezeichnet worden sein, anderes erinnert an asiatische Schattenspiele oder an poetische Aquarellmalerei.

Die junge spanische Künstlerin Inés stößt fern der Heimat in einer indischen Buchhandlung auf die Science-Fiction-Kurzgeschichte „Sultanas Traum“, die vor mehr als 100 Jahren von einer Frau namens Rokeya Hossain geschrieben worden war. Dieses Pionierwerk der feministischen utopischen Literatur wurde 1905 von der muslemischen Autorin – sie lebte von 1880 bis 1932 – in Bengalen, dem heutigen Bangladesch, geschrieben. Die Kurzgeschichte skizziert eine utopische Zukunft, in der Männer in den häuslichen Bereich zurückgedrängt werden, während Frauen eine friedliche und gerechte Gesellschaft in Harmonie mit der Natur gestalten – im sagenumwobenen „Ladyland“.

Auf der Suche nach diesem „Ladyland“ reist Inés quer durch Indien und Bangladesch und findet dabei immer mehr Informationen über die geheimnisvolle Rokeya Hossain und deren Utopie. Das alles notiert und zeichnet Inés in ihrem Skizzenbuch. Doch wo sind die verloren geglaubten Träume?

Das Besondere an SULTANAS TRAUM ist, dass die Regisseurin uns durch ein Labyrinth unterschiedlichster Kunststile führt. Da trifft traditionelle 2D-Animation im Aquarellstil auf gestrichelte abstrakte Zeichnungen, da erleben wir eine surrealistische Cut-Out-Technik, die vom indischen Schattentheater inspiriert worden ist. Dabei wurden die Hintergründe auf Seidenpapier handgemalt. Die Episoden, die in „Ladyland“ spielen, sind vollständig im sogenannten „Mehndi-Stil“ aufgeführt, die an ornamentale Körperbemalungen mit Henna erinnern.

Doch keine Angst: SULTANAS TRAUM ist nicht nur etwas für Kunststudentinnen und -studenten. Dieser Film fasziniert jeden. Doch billige Action darf man hier nicht erwarten. Wie schön, dass dieses Plädoyer für mehr Feminismus wohltuend unaufdringlich rüberkommt. Der didaktische Zeigefinger fehlt hier völlig. Hingehen!