America

07.03.2024

Nach „The Cakemaker“ (2017) lief auch der zweite Film des israelischen Regisseurs Ofir Raul Graizer beim Filmfest Hamburg – und zwar 2022. Jetzt kommt AMERICA mit eineinhalbjähriger Verspätung in unsere Kinos. Das Warten hat sich gelohnt.

Dieses einfühlsame Drama gehört zu den Filmen, die sich erst langsam öffnen. In der ersten Stunde der insgesamt 127 Minuten fragt sich wohl jeder Zuschauer: Was will der Regisseur mir sagen? Wo will er hin? Doch epische Filme wie dieser brauchen eben ihre Zeit.

Als Jugendlicher ist Eli (Michael Moshonov) nach dem Selbstmord seiner Mutter vor seinem gewalttätigen Vater von Israel in die USA geflohen, wo er seit zehn Jahren als erfolgreicher Schwimmlehrer in Chicago lebt. Da erreicht ihn ein Anruf des Anwalts seines Vaters: Dieser ist vor einem Monat nach einem Herzinfarkt gestorben. Da Eli Greenberg sogar seinen Nachnamen geändert hatte, war er schwierig zu finden. Er möge als Alleinerbe bitte in die Heimat fliegen, um das Haus zu verkaufen.

Dort angekommen, will Eli als erstes seinen Jugendfreund Yotam (Ofri Biterman) wiedersehen und lernt dabei auch dessen Verlobte Iris (Oshrat Ingadashet) kennen, offensichtlich eine palästinensisch-stämmige Israelin. Beide betreiben einen wenig erfolgreichen Blumenladen. Aus alter Freundschaft fahren Eli und Yotam an ihren geliebten Badesee aus Kindertagen. Als Eli einen Moment nicht aufpasst, stürzt Yotam schwer und schlägt mit dem Hinterkopf gegen einen Stein. Eli trägt seinen schwerverletzten Freund mit letzter Kraft zum Auto – doch im Krankenhaus folgt die niederschmetternde Diagnose: Koma. Auch als er Wochen später ins Wachkoma gelangt, gibt es keine Besserung.

Um Iris abzulenken, bietet Eli der hochverschuldeten Floristin an, gegen Bezahlung seinen Garten umzuarrangieren. Dabei kommen sich beide näher und beginnen eine Affäre. Doch Eli wird von seinen Schuldgefühlen überwältigt, bricht die Beziehung ab und ist nicht einmal bereit, Yotam im Krankenhaus zu besuchen. Nach 18 Monaten wacht der Patient auf – und die langwierige Reha beginnt. Die zeigt der Regisseur in allen Einzelheiten.

Iris kümmert sich liebevoll um ihren Verlobten, der allmählich das Sprechen und Gehen wieder lernen muss. Aber Eli lässt sich nicht blicken. Doch eines Tages entdeckt Yotam in Iris’ Wohnung ein T-Shirt von Eli…

Regisseur Ofir Raul Graizer wählt einen extrem langsamen Rhythmus, diese Geschichte, die sich über mehrere Jahre hinzieht, zu entwickeln. Er arbeitet ganz bewusst mit Ellipsen und Zeitsprüngen – hier wird fast alles indirekt erzählt. Und das Ende ist sehr traurig…

AMERICA zeigt uns, wie modernes episches Kino funktionieren kann. Und gleichzeitig ist der Film eine poetische Meditation über den Duft der Blumen und die Magie des Meeres – und über die Macht der Liebe und Freundschaft. Wir benötigen viel Muße! Aber die lohnt sich! So schön kann Kino sein!

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

America (Deutschland / Israel / Tschechoslowakei 2022)

Länge

127 Minuten

Genre

Drama

Regie

Ofir Raul Graizer

Drehbuch

Ofir Raul Graizer

Darsteller

Oshrat Ingedashet, Michael Moshonov, Ofri Biterman

Verleih

missingFILMs Filmverleih

Filmwebsite

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