Der Film der Woche

Perfect Days

21.12.2023

Der deutsche Regisseur Wim Wenders (Jahrgang 1945) ist bekannt dafür, sowohl Spielfilm-Meisterwerke („Alice in den Städten“, „Der amerikanische Freund“, „Paris, Texas“, „Der Himmel über Berlin“) als auch geniale Dokumentationen („Tokyo-Ga“, „Buena Vista Social Club“, „Pina“) in seiner langen Karriere präsentiert zu haben. In PERFECT DAYS gelingt es ihm, beide scheinbar so unvereinbaren Genres traumhaft sicher vereint zu haben. Besser geht’s nicht!

Dass das bizarre Thema kinotauglich sein kann, hatte schon Friedrich Wilhelm Murnau in seinem Stummfilm-Klassiker „Der letzte Mann“ (1924) bewiesen. Emil Jannings endet nach seiner Karriere als Hotelportier – als Klo-Mann. Und genau das ist Hirayama (Koji Yakusho) im japanischen Tokio: Er reinigt tagein, tagaus öffentliche Toiletten.

Dabei ist die Entstehung des Films schon spannend genug: Anfang 2022 erhielt Wim Wenders einen Brief aus Tokio: „Hätten Sie Interesse, nach Tokio zu kommen und sich ein höchst interessantes soziales Projekt anzuschauen? Es handelt sich um ein gutes Dutzend öffentlicher Toiletten, die allesamt von großen Architekten gebaut wurden. Wir könnten uns vorstellen, dass Sie das inspirieren könnte, vielleicht zu einem Fotobuch, vielleicht zu einer Reihe von Kurzfilmen, was auch immer. Sie hätten jede künstlerische Freiheit.“ Wenders’ Interesse war geweckt. Trotz strenger Pandemie-Regeln war diese Anfrage verbunden mit einem offiziellen Arbeitsvisum.

Und so flog Wenders im Mai 2022 nach Tokio, um die ungewöhnlichen Toilettenhäuschen zu bewundern. Das Fotobuch war schnell verworfen, statt dessen schlugen die Produzenten vier Kurzfilme mit jeweils vier Tagen Drehzeit vor. Doch Wenders hatte eine bessere Idee: einen kompletten Spielfilm in 16 (!) Tagen zu drehen. Was ihm fehlte: ein Drehbuch und ein Hauptdarsteller. Doch innerhalb kurzer Zeit fand er Co-Autor Takuma Takasaki und Schauspiel-Ikone Koji Yakusho („Shall We Dance?“, „Eureka“, „Babel“). Das Ergebnis dürfen wir jetzt bewundern…

Hirayama führt in seiner kleinen Wohnung mitten in Tokio ein zurückgezogenes Leben. Beim Zubereiten seines einsamen Abendessens hat er sein einziges Glücksgefühl: Er lauscht per Kassettenrekorder Pop- und Rock-Songs der 1960er-, 1970er- und 1989er-Jahre: The Velvet Underground, The Kinks, Patti Smith. Und jeden Morgen steigt er in sein Auto, um nach genauem Plan alle Toilettenhäuschen abzuklappern und zu säubern. Meist hat er einen Assistenten oder eine Assistentin an seiner Seite – doch seine Mitarbeiter sind nicht sehr zuverlässig.

In allen seinen Filmern fasziniert uns Wenders mit seinem Gefühl für die Zeit – kein Wunder , dass eines seiner Meisterwerke den Titel „Im Lauf der Zeit“ trägt. Mit minimalistischen Szenen, unterstützt von seinem brillanten Kameramann Franz Lustig, beobachtet der Regisseur das scheinbar ereignislose Leben eines einsamen Mannes. Regisseur und Kameramann schaffen es, uns mit den architektonisch spektakulären Häuschen zu faszinieren: Da wird jeder Stuhlgang zum Ereignis! Und am Ende offenbart Hirayama ein dunkles Geheimnis aus seiner Vergangenheit…

Mit stoischer Ruhe erweckt der begnadete Schauspieler Koji Yakusho die schwierige Rolle eines Toilettenmannes zum Leben. Man spürt: Hier hat ein Mann auch in diesem ungewöhnlichen Beruf seine Erfüllung gefunden. Der Lohn: Bei den Filmfestspielen von Cannes wurde Koji Yakusho mit dem Preis für den Besten Hauptdarsteller ausgezeichnet.

Auch im Alter von inzwischen 78 Jahren hat Wim Wenders nichts von seiner Genialität verloren. PERFECT DAYS ist eine poetische Meditation über Braun und Gelb. Pardon!

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
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Originaltitel

Perfect Days (Japan 2023)

Länge

124 Minuten

Genre

Drama

Regie

Wim Wenders

Drehbuch

Wim Wenders, Takuma Takasaki

Darsteller

Koji Yakusho, Tokio Emoto, Arisa Nakano, Aoi Yamada, Yumi Aso, Sayuri Ishikawa, Tomokazu Miura, Min Tanaka

Verleih

DCM Film Distribution GmbH

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