Der Film der Woche

Maria

06.02.2025

Seit „Neruda“ ist der chilenische Regisseur Pablo Larrain bekannt für seine anspruchsvollen, irritierend gegen den Strich gebürsteten Filmbiografien. Nach „Jackie“ (2018) und „Spencer“ (2021) steht jetzt mit MARIA zum dritten Mal eine der berühmtesten Frauen des 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt. Das Pikante daran ist: Jackie Kennedy und Maria Callas waren – nacheinander – mit dem gleichen Mann liiert. Aristoteles Onassis!

Nach Jackie Kennedy und Prinzessin Diana alias Miss Spencer nun also Maria Callas. Das Leben dieser begnadetsten Sängerin ihrer Zeit inszenierte Larrain als opulentes, opernhaft übersteigertes Melodram, das alle Grenzen sprengt – als einen 124 Minuten langen Tagtraum einer Diva am Ende ihres viel zu kurzen Daseins: Maria Callas wurde nur 53 Jahre alt.

September 1977: Maria Callas (Angelina Jolie) lebt zurückgezogen mit ihren zwei Pudeln in ihrer prunkvollen Pariser Wohnung, hingebungsvoll unterstützt von ihrer Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher) und ihrem Kammerdiener Ferruccio (Pierfrancesco Favino). Beide machen sich zunehmend Sorgen um die Gesundheit ihrer Chefin – Drogen und Alkohol haben ihre Spuren hinterlassen. Auch der Hausarzt Dr. Fontainebleau (Vincent Macaigne) sieht die Gefahr und sorgt dafür, dass Bruna die Tabletten versteckt und nur dosiert herausrückt.

Erst als der TV-Journalist und Filmemacher Mandrax (Kodi Smit-McPhee) die Sängerin um ein längeres Interview bittet, blüht sie auf. Die Idee ist zwar nicht neu – führt aber immer noch zum Ziel: Larrain nimmt dieses Interview zum Anlass, das Leben der Callas bewusst nicht chronologisch in Rückblenden (auch in Schwarz-Weiß) aufzublättern. Wir sehen den Beginn der Weltkarriere, das erste Treffen mit dem griechischen Reeder und Millionär Aristoteles Onassis (Haluk Bilginer) nebst aufkeimender Liebe, den Höhepunkt ihres Ruhms – und ihren brutalen Absturz: Viel zu früh verliert sie ihre unvergleichliche Stimme.

Was viele nicht wissen: Als Teenager (hier: Aggelina Papadopoulou) musste sie in ihrer Heimat während der Besatzung Nazi-Offizieren vorsingen. Später litt die als Maria Anna Cecilia Sofia Kalogeropoulou 1923 in New York (!) geborene Griechin trotz ihrer gesanglichen Strahlkraft an ihrem Übergewicht. Trotz der Warnung ihrer engsten Vertrauten ließ sie sich zu einer radikalen Abmagerungskur überreden – doch die Stimme hielt.

Der Regisseur nutzte die Möglichkeit, in den renommiertesten Opernhäusern der Welt – auch in der Mailänder Scala – zu drehen. So sehen wir eine strahlende Angelina Jolie, wie sie als Maria Callas die berühmten Arien von Bellini, Verdi und Puccini lippensynchron zelebriert. Und auch die vermeintlich erst durch den Kultfilm „Diva“ (1981) von Jean-Jacques Beineix bekannt gewordene Arie aus der Oper „La Wally“ von Alfredo Catalani darf natürlich nicht fehlen. Die Pointe: Maria Callas sang diese Arie ihr künstlerisches Leben lang!

Hollywood-Star Angelina Jolie geht in ihrer Rolle auf. Man glaubt ihr diese Diva in jeder Sekunde. Und sie durfte auch singen!?! Denn der Regisseur ging ein künstlerisches Wagnis ein und nutzte einen verblüffenden Trick: die beiden Stimmen zu mischen. Zitat Larrain: „Wir haben Angies Stimme aufgenommen, ihre Atmung, alles. Es gibt Momente in einem Stück des Films, in dem man Maria Callas in ihrer Blütezeit hört und das meiste, was man vernimmt, ist wirklich die Callas. Aber es gibt immer auch ein Fragment von Angelina und dann ist es manchmal mehr Angelina als Callas.“ Zu Callas’ Blütezeit wurden für die Aufnahmen 90 bis 95 Prozent der Original-Gesangsstimme der Opernsängerin verwendet. In den Szenen zum Ende ihres Lebens trat dann Angelina Jolies Gesang in den Vordergrund. Dieser Trick hat sich gelohnt!

Wir erleben ein Orchester, das in der Pariser Wohnung sitzt und die Sängerin musikalisch begleitet. Wir sehen ein Orchester im strömenden Regen auf einer Schlosstreppe sitzen, und plötzlich taucht eine Gruppe von Geishas auf. Wir befinden uns offensichtlich mitten in der Oper „Madame Butterfly“. Mit surrealistischen Traumsequenzen wie diesen überrascht uns Larrain immer wieder aufs Neue. Und die gefaketen Dokumentaraufnahmen wirken so wunderbar authentisch. Völlig absurd wird es dann, wenn sich Maria Callas mit US-Präsident John F. Kennedy in einem Restaurant trifft. Herrlich!

Ein „normales“ Biopic darf man von Pablo Larrain nicht erwarten. Zum Glück! Nicht nur Opernfans werden mit MARIA ihre Freude haben. Doch man muss diese Musik mögen!

Trailer

ab6

Originaltitel

Italien / Deutschland / USA 2024 (124 Minuten)

Länge

124 Minuten

Genre

Biographie / Drama

Regie

Pablo Larrain

Drehbuch

Steven Knight

Kamera / Director of Photography (DOP)

Edward Lachman

Darsteller

Angelina Jolie, Pierfrancesco Favion, Alba Rohrwacher, Haluk Bilginer, Kodi Smit-McPhee, Valeria Golino, Vincent Macaigne, Aggelina Papadopoulou, Jörg Westphal

Verleih

Studiocanal GmbH

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