Mit einer erfrischenden Portion Natürlichkeit und noch viel mehr leckerem Käse hat die französische Regisseurin Louise Courvoisier ihren Film KÖNIGE DES SOMMERS inszeniert, der im vergangenen Jahr das Filmfest Hamburg unter neuer Leitung eröffnet hat.
Tortonne (Clément Faveau) ist der typische Draufgänger: jung, temperamentvoll, unbekümmert. Doch ein Schicksalsschlag zwingt ihn dazu, von einem Tag auf den anderen Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur für seine jüngere Schwester Claire (Luna Garret), sondern auch für den heruntergekommenen, elterlichen Hof im französischen Jura. Doch Tortonne hat Pläne: Er will den besten Comté-Käse herstellen, denn dafür gibt es bei einem Wettbewerb nicht nur eine Medaille, sondern stolze 30.000 Euro Preisgeld. Unterstützung für seine wilde Idee bekommt er von seinen Freunden und seiner Schwester. Und dann funkt tatsächlich auch noch die Liebe dazwischen, als er Marie-Lise (Maïwène Barthelemy) kennenlernt. Die ist allerdings immer nur in Teilen in seine Pläne eingeweiht – und das hat seine Gründe…
Als im vergangenen Jahr die neue Leiterin des Filmfest Hamburg ihren Dienst antrat, wurde lange gemunkelt, welchen Film sie denn als Eröffnungsfilm auswählen würde. Letztendlich entschied sich Malika Rabahallah für KÖNIGE DES SOMMERS – und traf damit vollkommen ins Schwarze. Ihr Gespräch nach der Vorführung auf der Bühne mit der Regisseurin Louise Courvoisier zählte gleich am ersten Festivaltag zu den Höhepunkten der Filmfests.
Auf den ersten Blick erzählt Courvoisier eine recht simple Geschichte, die sie zudem mit Laiendarstellern gedreht hat. Doch wer genau hinschaut, der entdeckt unter dem Deckmantel der Unbeschwertheit auch ernste Elemente. Allerdings stellt die Regisseurin diese nicht in den Vordergrund, sondern vertraut dem Publikum, diese selbst zu entdecken – oft auch nur durch Blicke oder Gesten. Tortonne und seine Schwester beispielsweise reden nicht über den plötzlichen Tod des Vaters. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie sich nicht damit beschäftigen. Aber auf dem Land geht man – im Gegensatz zur Stadt – eben nicht zum Therapeuten. Das verriet Courvoisier in einem Interview zum Film. Daher wollte sie ihre Figuren in ihrer Rauheit zeigen, die zugleich aber eine gewisse Sensibilität nicht ausschließt.
Die Freundesgruppe rund um Tortonne lebt eigentlich recht unbeschwert und probiert viele Dinge aus. Klar, noch ist das Thema Verantwortung übernehmen ja auch noch in weiter Ferne. Der Zusammenhalt gibt ihnen aber auch die Kraft, immer mal wieder zu fallen und dennoch wieder aufzustehen. Gerade die Unbeholfenheit macht die Figuren des Films so sympathisch, man lacht mit ihnen, man scheitert mit ihnen und man schließt sie immer mehr ins Herz. Das ganze komprimiert auf anderthalb Stunden ergibt eine wunderbare Mischung, die sich verdammt echt anfühlt.
Louise Courvoisier ist selbst in der französischen Region Jura aufwachsen, und man merkt in jeder Sekunde des Films, dass sie ihre Heimat und die Menschen dort liebt. Und ganz nebenbei macht uns die Regisseurin neugierig auf den Comté-Käse, der genau aus dieser Region kommt. Beim Filmfest Hamburg gab es im Anschluss sogar noch eine Verköstigung, und wer den Käse bis dahin nicht kannte, ist ihm spätestens seitdem verfallen. Courvoisier war es wichtig, den Herstellungsprozess möglichst authentisch zu zeigen, schließlich spielt er in der Region eine zentrale Rolle.
KÖNIGE DES SOMMERS ist Courvoisiers Spielfilm-Regiedebüt und feierte seine Weltpremiere beim Internationalen Filmfestival von Cannes in der Reihe „Un Certain Regard“, wo er zudem mit dem „Prix de la Jeunesse“ ausgezeichnet wurde. Dass dieses kleine Filmwunder jetzt in unsere Kinos kommt, freut mich ganz besonders. Also ab ins Lieblings-Lichtspielhaus – und den Comté-Käse nicht vergessen! (und nein, diese Kritik wurde nicht vom Käsehersteller gesponsort!)
Vingt Dieux (Frankreich 2024)
92 Minuten
Drama
Louise Courvoisier
Louise Courvoisier, Théo Abadie
Elio Balézeaux
Clément Faveau. Luna Garret, Mathis Bernard, Dimitry Baudry, Maïwène Barthelemy, Armand Sancey Richard, Lucas Marillier
Pandora Film GmbH & Co. Verleih KG