Lionhearted – Aus der Deckung

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Dokumentarfilme über das Boxen – gibt es davon nicht schon genug? Scheinbar ja, doch LIONHEARTED – AUS DER DECKUNG der deutschen Regisseurin Antje Drinnenberg ist völlig anders. Schon das vorangestellte Motto von Ex-Weltmeister George Foreman zeigt die Richtung an: „Life is a metaphor for boxing.“ (Das Leben ist eine Metapher für das Boxen.) Und genau das zeigt die Regisseurin in ihrem mitreißenden Film über die Jugend-Boxabteilung des TV 1860 München: Es geht um Selbstzweifel, den inneren Schweinehund überwinden und die Liebe zu diesem harten Sport – aber vor allem um den Teamgeist einer verschworenen Truppe.

Im Mittelpunkt des Films steht der türkisch-stämmige Trainer Ali Cukur – mehr Vater als Coach seiner Schützlinge. In den vergangenen 25 Jahren sind Hunderte Jugendliche bei Ali im Training gelandet – nicht wenige mit krimineller Vergangenheit. Doch Ali hat es mit unendlicher Geduld und nie nachlassender Energie all die Jahre geschafft, niemanden hängenzulassen: die Aggressivität der jungen Männer in pure Box-Energie umzuwandeln. So auch in dem von Antje Drinnenberg mit der Kamera beobachteten Jahrgang. In kurzen Einsprengseln zeigt die Regisseurin den Hintergrund der Protagonisten: Armut, Migrationsprobleme und ungezügelte Gewalt.

Auch zwei Mädchen gehören mit zum Team – genauso tough wie ihre männlichen Kollegen. Alle haben natürlich nur ein Ziel: den nächsten Kampf gewinnen, längerfristig Erfolg haben und berühmt werden. Vielleicht wartet eine Profikarriere? So quälen sie sich durch das harte Training von Ali Cukur – denn am Ende wartet eine Belohnung: ein einwöchiges Camp in einer exotischen Gegend. Diesmal ist es Accra, die Hauptstadt von Ghana, einem der ärmsten Länder der Welt. Gemeinsam mit den Einheimischen trainieren sie unter erbärmlichen Bedingungen inmitten der Slums. Dass hier Menschen direkt neben einer gigantischen Müllhalde leben müssen, ist für die jugendlichen Boxer ein Schock: In München lebt es sich eindeutig angenehmer!

Beim gemeinsamen Spaziergang am atlantischen Strand kommt bei vielen die Vergangenheit hoch – auch Ali Cukur erinnert sich an ein dunkles Kapitel aus seiner Jugend. Nach dieser extremen Erfahrung reisen alle gereift nach München zurück und sind bereit für den Vergleichskampf mit einem Team aus London. Zu Beginn des Films sah man Szenen dieser Kämpfe in Schwarzweiß, jetzt sehen wir sie in Farbe. Symbolik pur!

Nach diesen 93 Minuten haben wir die Boxerinnen und Boxer und vor allem ihren Trainer ins Herz geschlossen. LIONHEARTED – AUS DER DECKUNG hat nur einen Schönheitsfehler: Manche Szenen mit in die Kamera lachenden ghanaischen Kindern, die unbedingt die deutschen Boxer anfassen wollen, sind Antje Drinnenberg zu idyllisch geraten.