Von Hause aus ist die Italienerin Margherita Vicario Popsängerin und Songschreiberin, tritt aber seit Jahren auch als Schauspielerin auf. So spielte sie beispielsweise in Woody Allens „To Rome with Love“ in einer Nebenrolle mit. Mit GLORIA! legte sie ihr Debüt als Spielfilmregisseurin vor. Der Film feierte seine Premiere bei der diesjährigen Berlinale und kommt jetzt in unsere Kinos.
Margherita Vicarios Hypothese ist auf den ersten Blick bestechend: Wie hätte sich eine moderne Popmusikerin gefühlt, wenn sie um 1800 in Venedig gelebt hätte? Natürlich sind bei diesem verblüffenden Ansatz diversen Anachronismen Tor und Tür geöffnet – die muss man akzeptieren. Barockmusik um 1800 – da war der Wiener-Klassik-Komponist Mozart schon zehn Jahre tot -, ein exotisches afrikanisches Daumenklavier (Kalimba/Mbira) als DIE Attraktion in Venedig. Wer’s glaubt! (Eine persönliche Anmerkung sei erlaubt: Ich als studierter Musikwissenschaftler hatte bei diesen ahistorischen Unsinnigkeiten so meine Probleme.)
Im Kollegium Sant Ignazio, einer alten venezianischen Musikschule für mittellose Mädchen, lebt Teresa (Galatéa Bellugi), genannt „die Stumme“, als Magd. Sie nimmt die Welt als Klang, Melodie und Rhythmus wahr: das Flattern wehender Leintücher im Wind, das Klappern von Geschirr, die hellen Stimmen spielender Kinder, das Geräusch eines Besens, der über das Pflaster streift. Doch ist sie wirklich stumm oder doch nur eine Ausgestoßene unter Rechtlosen?
Schillernde Anführerin der Mädchen ist die Geigerin und heimliche Komponistin Lucia (Carlotta Gamba), die mit ihren Musikkolleginnen unter der Leitung von Kapellmeister Perlina (Paolo Rossi) die Stücke für den Gottesdienst einstudiert. Für den anstehenden Papstbesuch soll Perlina ein neues Stück komponieren. Doch er scheitert kläglich. Bei ihren Streifzügen durch das Haus entdeckt Teresa in einer Abstellkammer ein wertvolles Pianoforte, ein zu der Zeit noch seltenes Hammerklavier, und zeigt es den Mädchen. Dank ihres besonderen Gespürs für den Rhythmus wird sie von der Gruppe als Freundin aufgenommen. Gemeinsam schmieden sie den Plan, dem Papst ein eigenes Stück vorzuspielen. Skandal im Kollegium!
Was folgt, ist ein rauschendes Fest voller Musik – authentisch hin oder her. Abgesehen von Originalkompositionen unter anderem von Antonio Vivaldi (auch er leitete in Venedig eine Musikschule für Mädchen) erklingen in GLORIA! eigene Werke von Margherita Vicario und Davide Pavanello. Die Lagunenlandschaft hat Kameramann Gianluca Rocco Palma mustergültig eingefangen, und die jungen Schauspielerinnen agieren zum Niederknien.
GLORIA!: Zwiespältig, aber wunderschön!
Gloria! (Italien / Schweiz 2024)
111 Minuten
Drama / Historie
Margherita Vicario
Anita Rivaroli, Margherita Vicario
Galatéa Bellugi, Carlotta Gamba, Veronica Lucchesi, Maria Vittoria Dallasta, Sara Mafodda, Paolo Rossi, Elio, Vincenzo Crea, Natalino Balasso, Anita Kravos, Jasmin Mattei, Gioele Pagura
Neue Visionen Filmverleih GmbH