Das Zimmer liegt im Halbdunkel. Die Rollladen an den Fenstern sind bis auf winzige Sehschlitze heruntergelassen. Das adrette Einfamilienhaus verschließt sich vor der Nachbarschaft. Die Geschwister Johanna (13) und Moni (6) sind wie erstarrt und wagen sich nicht zu rühren. Die Mutter liegt neben ihnen auf dem Bett. Alles sollte anders, schöner werden. Vor kurzem erst ist der gewalttätige Vater Robert von einer Therapie nach Hause zurückgekehrt. Die Familie scheint wieder vereint und intakt. Aber nichts hat sich geändert. Der Vater kann seine Aggression gegen die Mutter nicht unterdrücken. Er hat sich selbst nicht in der Gewalt.
Jede der drei Töchter sucht ihren eigen Ausweg in der Bedrohung: Moni, die jüngste, verschließt die Augen und begegnet der Situation mit Zorn, die älteste Schwester – längst ausgezogen – kehrt immer wieder zurück um zu provozieren und anzuklagen. Johanna, die 13-jährige, schweigt, verheimlicht, lügt. Alle wahren nach außen den Schein, aus Scham und aus Angst davor, die Familie zu zerstören. Da wird die Fassade aus Verheimlichung und Wegschauen unerwartet erschüttert: Johanna ist das erste Mal verliebt. In Christian (15), den Sohn ihres Sportlehrers. Das Mädchen steht nun zwischen den Fronten. Sie will die Familie retten, die Mutter und die kleine Schwester beschützen, aber sie möchte auch ihre erste Liebe erfahren dürfen. Zerrissen zwischen dem strengen Pflichtgefühl, ihrer Loyalität gegenüber der Familie und dem langsam wachsendem Vertrauen zu ihrer Jugendliebe, muss Johanna sich entscheiden. Und handeln.
Häusliche Gewalt ist ein Phänomen, das für den Normalsterblichen nur schwer zu verstehen ist. Was bringt Menschen dazu, genau diejenigen zu verletzen, die sie eigentlich vorgeben zu lieben. In Filmen wurde das schon des öfteren thematisiert, doch meist stand hier das Opfer im Vordergrund, dass irgendwann den Punkt erreicht, zurückzuschlagen oder den Täter zu verlassen. Die finnische Regisseurin Kirsi Marie Liimatainen schlägt hier einen anderen Weg ein und schildert die Geschehnisse aus Sicht der dreizehnjährigen Tochter. Johanna verschließt sich, versucht das Unfassbare zu verdrängen und zu verleugnen. Dass ihr das nur ansatzweise gelingt, ist verständlich – die ursprünglichen Beweggründe jedoch nicht. FESTUNG ist ein beklemmender Film der mitunter schwer zu ertragen ist. Nach diesem Blick hinter die Kulissen dieser Familie fragt man sich als Zuschauer ängstlich, hinter wie vielen verschlossen Fenstern und Türen womöglich gerade ähnliches passiert.
Festung (Deutschland 2011)
88 Minuten
Drama
Kirsi Marie Liimatainen
Nicole Armbruster
Ursina Lardi, Peter Lohmeyer, Elisa Essig, Ansgar Göbel, Antonia T. Pankow, Karoline Herfurth, Bernd Michael Lade
Farbfilm Verleih