Ein Triumph

15.12.2022

Nicht schon wieder eine Sozialkomödie aus Frankreich! Unsere westlichen Nachbarn überschütten uns Kinozuschauer seit Jahren mit Filmen, in denen der Spagat zwischen sozialkritischen Themen und komödiantischen Effekten versucht wird. Vor wenigen Wochen mussten wir in „Die Küchenbrigade“ erleben, dass das nicht immer funktioniert. Und auch EIN TRIUMPH von Emmanuel Courcol scheint nach diesem Muster abzulaufen.

Etienne (Kad Merad), ein erfolgloser Theaterschauspieler aus Lyon, der seit drei Jahren nicht mehr öffentlich aufgetreten ist, bekommt das Angebot, in einem Gefängnis eine Theater-AG zu leiten. Und so sitzt er plötzlich mit einigen Knackis in einem Raum, die natürlich alle keinen Bock aufs Theaterspielen haben. Doch ein bisschen Abwechslung im Knast-Alltag kann ja nicht schaden. Und so übt er mit den Männern einen Abend mit geladenen Gästen ein, in dem jeder eine Fabel szenisch umsetzen muss.

Die Veranstaltung wird ein voller Erfolg – und so erhält er von der Gefängnisdirektorin (Marina Hands) die Erlaubnis, mit seinen „Schauspielern“ Samuel Becketts berühmtes Theaterstück „Warten auf Godot“ einzustudieren. Als Belohnung gibt es einen Auftritt im größten Theater Lyons, das Etiennes Freund Stéphane (Laurent Stocker) gehört. Und so üben die Knackis Becketts vertrackte Texte ein, einer von ihnen kann nicht einmal richtig lesen. Natürlich gibt es bei den Proben ständig Zoff – diese „Schauspieler“ sind alles andere als zartbesaitet.

Die Aufführung wird ein grandioser Erfolg – sogar die lokalen Zeitungen überschlagen sich in ihren Kritiken. Das könnte das Ende von EIN TRIUMPH sein – und wir hätten eine solide 0815-Komödie gesehen. Doch Regisseur Emmanuel Courcol gönnt uns eine Pointe, die wohl jeden überrascht. Die Gefängnisdirektorin und die zuständige Richterin erlauben dem Ensemble eine Gastspielreise durch Frankreich. Und so fährt die Truppe mit einem Bus übers Land, ständig begleitet von zwei Wärtern. Als Höhepunkt wartet ein Auftritt im Pariser Odeon, dem wohl prächtigsten Theatersaal des Landes. Doch just an diesem Abend haben die Knackis keinen Bock – und Etienne muss ganz allein vor das Publikum treten, mit einem denkwürdigen Monolog…

Diese letzte halbe Stunde macht aus einem grundsoliden einen richtig guten Film, dessen Poesie uns alle verzaubert. Und Kad Merad lieben wir seit „Willkommen bei den Sch’tis“.

P.S. Eine zweite Pointe: 1985 inszenierte der schwedische Schauspieler und Regisseur Jan Jönson mit Insassen eines Hochsicherheitsgefängnis das Stück „Warten auf Godot“. Bei der Aufführung in Göteborg flüchteten fünf der sechs Schauspieler. Jahre später hatte Jönson das Glück, Samuel Beckett persönlich zu treffen. Dessen trockener Kommentar: „Endlich hat jemand mein Stück verstanden.“ Wenn Godot nicht kommt, hauen wir einfach ab. Genial!

Trailer

FSK noch unbekannt

Originaltitel

Un Triomphe (Frankreich 2020)

Länge

106 Minuten

Genre

Komödie

Regie

Emmanuel Courcol

Drehbuch

Emmanuel Courcol

Darsteller

Kad Merad, David Ayala, Lamine Cissokho, Sofian Khammes, Pierre Lottin, Wabinlé Nabié, Alexandre Medvedev, Saïd Benchnafa, Marina Hands, Laurent Stocker

Verleih

Filmwelt Verleihagentur GmbH

Filmwebsite

» zur Filmwebsite

Weitere Neustarts am 15.12.2022