Don’t Worry Darling

22.09.2022

Vergessen wir alles, was im Vorfeld über den verstörend-bizarren Thriller DON’T WORRY DARLING von Olivia Wilde zu hören und zu lesen war: Zoff bei den Dreharbeiten, Zoff der Schauspieler untereinander, Zoff bei der Pressekonferenz nach der Premiere bei den Filmfestspielen in Venedig – und vor allem die Angst, dass irgendjemand das Ende des Films verraten könnte. Das ist aber alles Schnee von gestern – jeder darf jetzt den fertigen Film bewundern. Und er ist es wert, gesehen zu werden…

Wir befinden uns offenbar in den 1950er-Jahren in den USA. Victory ist eine modernistische Gemeinde irgendwo in der kalifornischen Wüste. Inmitten der unwirtlichen Umgebung ist die Welt noch in Ordnung: Alles ist grün, hell und sehr bunt. Die Männer der Siedlung arbeiten an einem streng geheimen Projekt. Jeden Morgen wird ihnen von ihren Frauen ein umfangreiches Frühstück mit frisch aufgebrühtem Kaffee, Bacon & Eggs und knusprigem Toast serviert, dann steigen sie in ihre Cabrios und fahren – begleitet von den Songs der 50er-Jahre – in die vom undurchsichtigen Frank (Chris Pine) geleitete Zentrale, die sich auf einem Hügel in der Nähe des Ortes befindet. Derweil „dürfen“ die gefügigen Ehefrauen das Haus putzen und das Abendessen vorbereiten. Zur Belohnung gibt es danach ausgiebigen Sex.

Das Leben in dieser Idylle könnte so schön sein – wenn sich nicht unmerkliche Risse im Alltag auftun. Das Ganze wirkt wie eine chauvinistische Männerfantasie, in der die Frauen anscheinend keine Rechte haben. Alice (Florence Pugh), die Frau von Jack (Harry Styles), merkt dies als erste: Hier stimmt etwas nicht! „Ist das unser Leben: Die Männer verdienen das Geld, und wir müssen nur willig sein?“ Als bei der Zubereitung des Frühstücks einige Eier keinen Inhalt haben – kein Eigelb, kein Eiweiß – kommt Alice ins Grübeln. Und dann stürzt ihre schwangere Nachbarin vom Dach. Voller Panik will Alice die Siedlung verlassen – doch ihre Flucht endet kurz hinter der Ortsgrenze. Männer in roten Overalls wissen den Ausbruch zu verhindern.

Bei einer spontanen Feier spielt der joviale Projektleiter Frank die Ereignisse herunter und befördert Jack zu einem seiner Vize-Chefs. Doch statt sich mit ihrem Mann zu freuen, wird Alice immer unsicherer. Ihr Leben in dieser Schein-Idylle entwickelt sich allmählich zum Albtraum. Doch was ist die Alternative?

Man spürt sofort: Diese fragwürdig-zynische Männerfantasie kann nur von einer Frau inszeniert worden sein. Die Hollywood-Schauspielerin Olivia Wilde, die auch hier eine tragende Rolle als eine der „Housewives“ verkörpert, hat nach ihrem sensationellen Regie-Debüt „Booksmart“ mit DON’T WORRY DARLING einen weiteren großartigen Film vorgelegt. Gemeinsam mit ihrer Drehbuchautorin Katie Silberman hat sie eine Scheinwelt erschaffen, die alles in Frage stellt. Kameramann Matthew Libatique schuf die unglaublich faszinierende Atmosphäre einer glatten, schönen Oberflächen-Welt, wobei sich wohl jeder Zuschauer fragt: Will ich hier leben?

Schon nach wenigen Minuten im Kinosaal denkt jeder Zuschauer: Aha! Das kenne ich doch aus dem Science-Fiction-Klassiker „Die Frauen von Stepford“ oder auch aus Peter Weirs „The Truman Show“! Doch die Pointe ist diesmal eine ganz andere. (Immerhin: So viel darf ich verraten.)

Natürlich ist jeder scharf darauf zu erfahren: Was passiert hier eigentlich und warum? Ganz persönlich habe ich bei der Sichtung geglaubt: Die Hauptperson heißt Alice, und der Nachfolgeroman von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ hat den Titel „Alice hinter den Spiegeln“. Warum also nicht die Auflösung in diese Richtung entwickeln? Doch auch das entpuppt sich als Finte…

DON’T WORRY DARLING hätte einer der besten Filme dieses Jahres werden können. Doch er hat leider zwei Schönheitsfehler: Der bislang als Popsänger bekannte Harry Styles kann nicht schauspielern, seine Darbietung ist eine Frechheit. Und der finale Twist ist eher läppisch – da hätten wir uns etwas mehr Esprit gewünscht. Das war ein Kick zu wenig!

Regie, Kamera, Look und Style: alles erste Sahne! Hier haben Olivia Wilde und ihr Team eine Welt erschaffen, die wir alle so nicht mehr wollen. Und ein Name steht im Zentrum: Florence Pugh! Die 26-jährige Britin, für „Little Women“ bereits oscar-nominiert, dominiert mit ihrer unkonventionellen Schönheit – scheinbar zu klein geraten, dreieckiges Gesicht – den kompletten Film. Wie sie diese Rolle zwischen Liebe und Trotz, Zweifel und Widerstand angelegt hat, ist einfach atemberaubend. Florence Pugh ist ein Weltwunder! Wenn sie für diese sensationelle Leistung nicht den Oscar bekommt…

Trailer

ab12

Originaltitel

Don't Worry Darling (USA 2022)

Länge

123 Minuten

Genre

Thriller

Regie

Olivia Wilde

Drehbuch

Katie Silberman, basierend auf einer Geschichte von Carey Van Dyke, Shane Van Dyke und Katie Silberman

Darsteller

Florence Pugh. Harry Styles, Chris Pine, KiKi Layne, Olivia Wilde, Gemma Chan, Nick Kroll, Sydney Chandler, Kate Berlant, Asif Ali, Douglas Smith, Timothy Simons, Ari’el Stachel

Verleih

Warner Bros. Entertainment GmbH

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