Das beliebte Genre „Biopic“, also verfilmte Lebensgeschichte, verlangt nach einprägsamen Charakteren und dramatischen Situationen. Doch genau diesen Prämissen verweigert sich Martin Provost in seiner Künstler-Biografie DIE BONNARDS – MALEN UND LIEBEN.
Der Regisseur, der mit Marc Abdelnour auch das Drehbuch schrieb, präsentiert uns einen zweitklassigen Maler und seine Muse: einen Langweiler und Frauenhelden, an seiner Seite eine schöne Frau, die seine Affären scheinbar stoisch hinnimmt. Kann so ein Film funktionieren?
Das reine Glück im Kino? Das gelingt nur selten – denken wir an „Le Bonheur“ (1965) von Agnès Varda, wo der Filmtitel schon alles verrät. Der Zuschauer erwartet – wenn schon nicht Spannung – Dramatik, Konflikte, Widersprüche und auf der anderen Seite entweder Romantik oder Humor. Aber nie Langeweile! Doch genau das werfen Kritiker DIE BONNARDS – MALEN UND LIEBEN vor.
Zugegeben, Martin Provost ging mit seinem ungewöhnlichen Ansatz ein Wagnis ein. Der Regisseur will mit seinen wunderschönen Landschaftsaufnahmen (Kamera: Guillaume Schiffman) ein Spiegelbild des Innenlebens eines Malers zeigen. Wovon lässt sich ein Künstler inspirieren? DIE BONNARDS – MALEN UND LIEBEN ist mehr poetische Meditation als Biopic.
Paris, 1893: Ein Maler hat ein Mädchen auf der Straße angesprochen und zeichnet es in seinem Atelier. Die Schöne hat irgendwann keine Lust mehr, stundenlang herumzustehen, und will sich verabschieden. Doch es kommt anders: Die beiden spüren plötzlich eine magische Anziehungskraft, sie küssen sich und haben Sex. Erst danach stellen sie sich einander vor: Marthe de Méligny (Cécile de France), „italienischer Abstammung“, wie sie sagt; Pierre Bonnard (Vincent Macaigne), „aufstrebender Maler aus der Bourgeoisie“, wie er sagt.
Bonnard spürt, dass er an der Seite seiner berühmten Kollegen Claude Monet (André Marcon) und Edouard Vuillard (Grégoire Leprince-Ringuet) als zweitrangiger Spätimpressionist gilt. Aber er hat Erfolg – sein Stil kommt bei der feinen Pariser Gesellschaft an. Seine Bilder ecken nicht an – anders als die radikalen Gemälde von Cézanne oder Gauguin. Und Marthe wird seine Muse: Immer wieder malt er sie, die inzwischen meist nackt posiert. Irgendwann spürt Marthe ihre Macht über Pierre und nutzt diese weidlich aus. Die Beziehung hält über 50 Jahre – am Ende wird die Muse selbst zur Malerin…
In vielen Szenen sehen wir das Paar, wie es nackt durch die Landschaft hüpft. Und diese ungetrübte Idylle überträgt sich auf uns Zuschauer. Erst als sich Pierre in das blutjunge Modell Renée (Stacy Martin) verliebt, bekommt das Glück des Paares einen Riss. Doch nicht einmal diese kurze Episode reicht für einen ernsten Konflikt im Film.
Wer sich für französische Malerei und die Schönheiten der sanften Landschaft – Seerosenteiche haben hier eine entscheidende Funktion – begeistert, wird sich in diesem Film zuhause fühlen. Alle anderen sollten mutig, genug sein, ein Ticket zu lösen. Denn Cécile de France ist eine Wucht!
Bonnard, Pierre et Marthe (Frankreich / Belgien 2023)
123 Minuten
Biographie / Historie / Romanze
Martin Provost
Martin Provost, Marc Abdelnour
Guillaume Schiffman, AFC
Cécile de France, Vincent Macaigne, Stacy Martin, Anouk Grinberg, André Marcon, Grégoire Leprince-Ringuet, Hélène Alexandridis, Peter Van Den Begin, Yveline Hamon, César Domboy
Prokino Filmverleih GmbH