Mit DÌDI ist dem Regisseur und Drehbuchautor Sean Wang ein eindrucksvolles und halb-autobiographisches Spielfilmdebüt gelungen über einen 13-jährigen Jungen zwischen zwei Welten: zu asiatisch für die weißen Kids, zu weiß für die asiatischen…
In Freemont in der kalifornischen Bay Area ist der letzte Monat vor Beginn der Highschool angebrochen, und zum ersten Mal erlebt der 13-jährige Chris Wang (Izaac Wang), wie aufregend es ist, kein Kind mehr zu sein. Mehr schlecht als recht versucht er sich im Wirrwarr aus Freundschaften, Schwärmereien, Hormonstürmen und Online-Chats zurechtzufinden. Schließlich schreiben wir das Jahr 2008, in dem es mit den sozialen Medien wie YouTube, MySpace und AOL erst so richtig losging. Natürlich sind seine Eltern ihm dabei keine große Hilfe: Das Verhältnis zu seiner Mutter Chungsing (Joan Chen) ist angespannt, sein Vater ständig auf Geschäftsreise und seine Schwester Vivian (Shirley Chen) damit beschätigt, sich aufs College vorzubereiten. Und zu allem Übel ist da auch noch seine Großmutter Nai Nai (Chang Li Hua), die sich im Dauerstreit mit seiner Mutter befindet. Aber auch das ständige Gefühl des Andersseins ist Chris nicht fremd, schließlich befindet er sich aufgrund seiner taiwanesischen Abstammung immer zwischen den Stühlen: Für die Asiaten ist er zu weiß und für die Weißen zu asiatisch. Also versucht Chris, irgendwie dazuzugehören und gibt sich als Videofilmer aus, um von einer Gruppe Skater akzeptiert zu werden. Doch was er auch tut, immer wieder steht sich Chris unbeholfen selbst im Weg. Da ein Aufgeben jedoch nicht in Frage kommt, lernt Chris langsam aber sicher, wie man skatet, wie man flirtet und wie man seine Mutter lieben lernt…
DÌDI feierte seine Weltpremiere beim Sundance Film Festival und wurde dort mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Beim Filmfest München, wo der Film seine Deutschlandpremiere feierte, war das Publikum ebenfalls so begeistert, dass es DÌDI auch hier prämierte. Zu recht, wie der Autor dieser Zeilen findet, denn Sean Wang gelingt es mit viel Liebe zum Detail, aber auch mit viel Herz, seine eigene Jugend zu verfilmen. Gerne folgen wir dem 13-jährigen Jungen bei seiner Erkundung all der Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens, vielleicht auch, weil wir uns damit selbst an unsere eigene Jugend erinnert fühlen.
Sean Wang gelingt es zudem besonders gut, seinen Film in der Zeit zu verordnen. Während bei anderen Vertretern des Genres gerne mal irgendwelche erfundenen Social-Media-Dienste gezeigt werden, nutzt Wang tatsächlich YouTube, Myspace, AOL und andere – und das auch noch im Original-Design. Hier hat sich jemand wirklich Mühe gegeben, uns 16 Jahre in der Zeit zurück zu katapultieren. Bravo!
Aber DÌDI legt auch eine erstklassige Figurenzeichnung an den Tag. Alles wirkt natürlich und in sich stimmig. Dazu trägt natürlich in erster Linie Izaac Wang bei, der uns glaubhaft zeigt, was es bedeutet, nach Zugehörigkeit zu suchen. Und die restlichen Jugendlichen sind nahezu alles Laien, die bei Street-Castings entdeckt wurden, was dem Film eine gewisse Authentizität verleiht.
Von peinlich bis gefühlvoll: Mit DÌDI gelingt Sean Wang ein herzensguter Film, der die Stimmung eines entscheidenden Sommers perfekt einfängt.
Dìdi (弟弟) (USA 2024)
94 Minuten
Komödie / Drama
Sean Wang
Sean Wang
Izaac Wang, Joan Chen, Shirley Chen, Chang Li Hua, Mahaela Park, Raul Dial, Aaron Chang, Chiron Cilia Denk, Sunil Mukherjee, Maurillo, Montay Boseman
Universal Pictures International Germany GmbH