Der Film der Woche

Das Lehrerzimmer

04.05.2023

Auch mit seinem vierten Kinofilm zeigt der Autor und Regisseur Ilker Çatak erneut, warum er zu den Besten unserer Zeit gehört. Auch wenn sich DAS LEHRERZIMMER auf den ersten Blick auf den Mikrokosmos Schule konzentriert, so setzt sich der Film mit vielen aktuellen Diskussionen unserer Gesellschaft auseinander.

Die junge und engagierte Sport- und Mathematiklehrerin Carla Nowak (Leonie Benesch) tritt ihre erste Stelle an einem Gymnasium an und fällt im Kollegium sofort durch ihren ungebremsten Idealismus auf. Als es an der Schule zu einer Reihe von Diebstählen kommt und einer ihrer Schüler verdächtigt wird, stellt sie eigene Nachforschungen an. Aufgerieben zwischen empörten Eltern, rechthaberischen Kollegen und angriffslustigen Schülern bekommt sie die Strukturen des Systems Schule mit ganzer Härte zu spüren. Je verzweifelter sie versucht, alles richtig zu machen, desto mehr droht sie daran zun zerbrechen…

Seine Hauptrolle besetzte Çatak mit Leonie Benesch, die in diesem Jahr zu den Europäischen Shootingstars der Berlinal gehört. Ein Glücksgriff, auf den er lange hingearbeitet hat. Schon seit er Benesch in „Das weiße Band“ gesehen hatte, wollte er unbedingt mit ihr arbeiten, wie er mir im Interview auf der Berlinale verraten hat. Dort feierte DAS LEHRERZIMMER in der Sektion „Panorama“ seine Weltpremiere und wurde vom Kino-Netzwerk „Europa Cinemas“ als bester europäischer Film ausgezeichnet. Wie Benesch in der Rolle der jungen Lehrerin aufgeht, ist eindrucksvolles Schauspielkino. Die ganze Zeit fiebert man als Zuschauer mit ihrer Figur mit, wünscht man sich doch an unseren Schulen viel mehr von ihrer Sorte.

Genau wie in seinen vorherigen Filmen – besonders hervorgehoben sei dabei „Es gilt das gesprochene Wort“ – belässt es Ilker Çatak nicht dabei, eine simple Geschichte zu erzählen. Vielmehr nutzt er diese, um uns als Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Denn viele Themen, die uns als Gesellschaft beschäftigen, lassen sich auf die Schulebene herunter brechen. Denn hier gibt es ein Oberhaupt, die Schulleiterin (Ann-Kthrin Gummich), die herrschende Klasse der Lehrer, das allgemeine Fußvolk der Schüler, die Medien in Form der Schülerzeitung, usw.

Doch Çatak beobachtet nicht nur, nein, er zeigt uns auch die Absurdität einiger Diskussionen, die wir seit geraumer Zeit führen. Seine Idee, ausgerechnet der einzigen Person of Colour des Kollegiums dem Vorwurf des Rassismus auszusetzen, muss man als kongenialen Schachzug honorieren. Aber auch sonst greift Çatak die Themen der Zeit auf, ohne sie explizit zu benennen. Sei es Cancel Culture, Fake News oder eine empörte Jugend, um nur ein paar wenige Aspekte zu nennen.

Wenn wir an unsere eigene Schulzeit zurückdenken, dann war das Lehrerzimmer immer ein mystischer Ort. Hier, wo die Lehrer über unsere Zukunft entscheiden, wo Weichen gestellt werden, da geschehen vermutlich noch weitaus geheimere Dinge. Kein Wunder also, dass allein der Titel DAS LEHRERZIMMER bereits für reges Interesse sorgte. So waren das ZDF und arte schon sehr früh mit an Bord des Projekts. Wer jetzt jedoch einen eingeschlafenen ZDF-Fernsehfilm im Rosamunde-Pilcher-Stil erwartet, dem sei Entwarnung gegeben. Ilker Çataks vierter Kinofilm ist alles andere als langweilig. Im Gegenteil.

So wie DAS LEHRERZIMMER auf der Berlinale für Furore sorgte, dürfte einem erfolgreichen Kinostart also nichts im Wege stehen. Die einzige Frage, die sich mir stellt, ist warum der Film hier auf dem Festival nicht im Wettbewerb lief…

Interview

Auf der Berlinale hatte ich die Gelegenheit, mit Autor und Regisseur Ilker Çatak über seinen Film DAS LEHRERZIMMER zu sprechen.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Das Lehrerzimmer (Deutschland 2023)

Länge

98 Minuten

Genre

Drama

Regie

Ilker Çatak

Drehbuch

Ilker Çatak, Johannes Dunkcer

Darsteller

Leonie Benesch, Michael Klammer, Rafael Stachowiak, Eva Löbau, Anne-Kathrin Gummich, Kathrin Wehlisch, Sarah Bauerett

Verleih

Alamode Filmdistribution OHG

Filmwebsite

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