Der Film der Woche

Das Leben ein Tanz

08.09.2022

Auf den ersten Blick sieht DAS LEBEN EIN TANZ von Cédric Klapisch so aus wie eine Geschichte, wie man sie schon etliche Male in leicht veränderter Handlung im Kino gesehen hat. Doch dann überrascht der Film bei der Sichtung immer und immer wieder…

Der 26-jährigen Elise (Marion Barbeau) steht eine vielsprechende Karriere als Ballettänzerin bevor. Vor einem großen Auftritt muss sie jedoch mit ansehen, wie ihr langjähriger Freund sie betrügt und so kommt es, wie es kommen muss. Unkonzentriert reicht ein falscher Schritt, um sich bei einem Sprung schwer zu verletzen. Plötzlich zerbricht ein Traum, auf den sie viele Jahre hingearbeitet hat. Die Diagnose lautet: Mindestens zwei Jahre kein Sport, kein Tanz. Und ob sie dann wirklich wieder auf die Bühne kann, steht vollends in den Sternen. Fortan muss Elise lernen, das Vergangene hinter sich zu lassen und ihr Leben neu zusammenzusetzen. Ihr Weg führt sie dabei von Paris in die Bretagne, zu neuen Freunden, einer neuen Liebe und der Erkenntnis, dass die wahre Freiheit darin liegt, endlich das zu tun, wofür ihr Herz schlägt. Denn was wirklich zählt, ist das Hier und Jetzt.

Der französische Regisseur Cédric Klapisch war schon immer für seine guten Drehbücher und Regiearbeiten bekannt. Ob „L’Auberge Espagole“ oder „Der Wein und der Wind“, stets wohnte seinen Filmen eine gewisse Herzlichkeit inne. Umso überraschter war ich, als ich die Inhaltsangabe von DAS LEBEN EIN TANZ las. Das klang doch irgendwie recht generisch. Da gibt es einen Menschen, dessen Leben auf ein einziges Ziel hin fixiert ist, das aber nach einem Schicksalsschlag plötzlich außer Reichweite gerät. Die Prämisse gab es schon unfassbar oft in Filmen zu sehen. Mal mehr und mal weniger interessant umgesetzt. Entsprechend niedrig war meine Erwartungshaltung.

Doch dann geschieht genau das, weswegen ich das Medium Film so sehr liebe. Der Film nimmt eben nicht den Weg, den jeder andere Vertreter des Genres gegangen wäre, sondern überrascht. Und das immer und immer wieder. Er schlachtet nicht die vermutete Hoffnungslosigkeit der Protagonistin bis ins letzte Mark aus, sondern wächst mit ihr gemeinsam an den Schwierigkeiten. So bekommen wir als Zuschauer tatsächlich einen wahren Eindruck von dem, was Elise hier durchmacht.

Das ist eben genau die Macht, die ein guter Kinofilm haben kann, wenn er sich der Erwartungshaltung der Zuschauer widersetzt. Natürlich liegt das auch an der guten darstellerischen Leistung der Schauspieler. Gerade Marion Barbeau glänzt hier wirklich in der Rolle der jungen Frau, dessen ganzes Lebensziel von der einen auf die andere Sekunde verpuff. Wie sehr sie den Balletttanz geliebt hat, ist in jeder einzelnen Sequenz zu sehen und zu fühlen.

„Wenn Dein Körper die Basis Deines Berufs ist, bist Du am Ende dazu gezwungen, zwei Leben zu leben“, sagt Elises Vater (Denis Podalydès) an einer Stelle zu ihr. Diese Tatsache greift Klapisch auch im Originaltitel „En Corps“ auf, was so viel bedeutet wie „Im Körper“. Lautmalerisch könnte man aber auch „Encore“ verstehen, also „Zugabe“. Und genau so etwas ist das neu gewonnene Leben für unser Hauptfigur. Wenn Träume und Wünsche unerreichbar werden, ist es eben an der Zeit, sich neue Ziele zu suchen.

DAS LEBEN EIN TANZ ist ein perfektes Beispiel dafür, dass man einen Film nicht nach seiner Inhaltsangabe bewerten sollte. Manchmal steckt dahinter noch so viel mehr, dass es eine wahre Freude ist, im abgedunkelten Kinosaal auf Spurensuche zu gehen. Die Belohnung in diesem Fall ist die Entdeckung eines kleines Meisterwerks. Chapeau!

Trailer

ab12

Originaltitel

En Corps (Frankreich 2022)

Länge

118 Minuten

Genre

Drama

Regie

Cédric Klapisch

Drehbuch

Cédric Klapisch, Santiago Amigorena

Darsteller

Marion Barbeau, Hofesh Shechter, Denis Podalydès, Muriel Robin, Pio Marmaï, François Civil, Souheila Yacoub, Mehdi Baki, Alexia Giordano, Marion Gautier de Charnacé, Robinson Cassarino, Marilou Aussiloux, Mathilde Warnier,

Verleih

Studiocanal GmbH

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