Mit seinem neuen Film COME ON COME ON widmet sich der Regisseur Mike Mills der Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern und zeigt auf ganz wundersame Weise, dass die Bedürfnisse, Sorgen und Wünsche von Kindern sich vielleicht von denen Erwachsener unterscheiden, jedoch nicht weniger wichtig sind.
„Wenn Du an die Zukunft denkst, wie stellst Du sie Dir dann vor?“ Diese Frage stellt der New Yorker Radiojournalist Johnny (Joaquin Phoenix), der nach einer langen Beziehung wieder Single ist, immer wieder Kindern und Jugendlichen in den gesamten USA für seine Reportage. Nach einem Anruf seiner Schwester Viv (Gaby Hoffmann) muss er sich unerwartet um ihren Sohn kümmern, den neunjährigen Jesse (Woody Norman). Für ihn ist es das allererste Mal, dass er selbst mit dem Thema Elternschaft in Berührung kommt und die Verantwortung für ein Kind übernehmen muss. Aber auch der sensible Jesse erlebt ein erstes Mal, denn so lange war er noch nie von seiner Mutter getrennt. Kurzerhand nimmt ihn Johnny mit auf seine Interview-Reise quer durch die USA. Während er versucht, seine Reportage fertigzustellen, und mit jungen Menschen über Träume, Ängste und Hoffnungen spricht, entwickelt sich zwischen den beiden eine emotionale Bande, die klar macht: Aus dieser Reise werden beide verändert hervorgehen.
Wer die Filme von Mike Mills kennt, so wie „Beginners“ oder „Jahrhundertfrauen„, der weiß, dass sich der Regisseur voll und ganz den zwischenmenschlichen Beziehungen verschrieben hat. Das ist auch in COME ON COME ON nicht anders, allerdings gelingt ihm das hier besonders feinfühlig. Der Film ist durchwoben von all den Aussagen der Kinder und Jugendlichen, die von oberflächlich bis tiefgründig breit gefächert sind. Wenn man den Stimmen als Zuschauer keine Beachtung zeigt, könnten diese schnell nervig werden, doch wenn man genau hinhört, dann entdeckt man so viele wunderbare Aussagen, von denen wir Erwachsenen uns gerne eine Scheibe abschneiden können.
Gedreht hat Mills COME ON COME ON in schwarz-weiß und das nicht nur, weil er Schwarz-Weiß-Filme liebt, sondern weil er damit eine ganz besondere Stimmung schaffen wollte. „Ich habe den Film immer als ein Zusammenspiel aus fabel- und dokumentarischen Elementen gesehen“, so der Regisseur. „Schwarz-weiß funktioniert für beides. Es ist intim, lässt aber auch mehr Spielraum, holt die Figuren aus der Zeit heraus, distanziert uns vom Alltag und macht die Bilder fast zu Zeichnungen.“ Mit diesem Stil gelingt es ihm, die Düsternis der Großstädte, sowie die Melancholie einzufangen, die Johnny und Jesse manchmal empfinden.
Ein besonderes Augenmerk setzte Mills auf die Auswahl der Städte, durch die seine Protagonisten reisen. Da er C’MON C’MON (wie der Film im Original heißt) chronologisch drehen wollte, plante Mills die Route von Los Angeles nach New York, dann hinauf nach Detroit und hinunter nach New Orleans. Ihm gefiel, dass diese Städte im Westen, Osten. Norden und Süden liegen, aber es gibt auch Gründe für jede einzelne der Städte. So gibt Mills zu Protokoll: „In New York haben wir mit Kindern von Einwanderern gesprochen, weil so viele Generationen auf der Suche nach einem neuen Leben nach New York kamen. Detroit ist die Stadt der Autoindustrie, die einst die amerikanische Zukunft darstellte; eine Zukunft, die schließlich viel früher zu Ende ging als erwartet. Und New Orleans lebt in dem Wissen, dass einige Stadtteile noch zu unseren Lebzeiten unter Wasser stehen werden. Ein Ort mit einer ebenso wunderschönen wie erschütternden Geschichte.“
Allerdings gibt es auch eine traurige Geschichte rund um den Film. In New Orleans zählte der neunjährige Devante Bryant zu den interviewten Kindern. Kurze Zeit später wurde er auf tragische Weise bei einer Schießerei von einem Irrläufer tödlich getroffen, als er an einer Straßenecke im 7. Bezirk saß. Ohne zu zögern hat Mills COME ON COME ON ihm gewidmet. „Devante war ein superschlaues, starkes, witziges und mutiges Kind. Sein Verlust ist eine fürchterliche Tragödie für die NOLA-Gemeinschaft, die uns so herzlich aufgenommen hat. Die ganze Sache war entsetzlich traurig, und wir hatten das Gefühl, dass wir irgendwie seine Anwesenheit und seinen Tod würdigen müssen.“
COME ON COME ON ist eine filmische Perle, die es zu entdecken lohnt. Als sich der kleine Jesse an einer Stelle selbst die Frage stellt, was er von der Zukunft erwartet, fasst er es nahezu perfekt zusammen: „Was auch immer Du erwartest, wird nicht passieren. Stattdessen geschehen so viele Dinge, die Du niemals eingeplant hättest. Also musst Du einfach immer weiter Deinen Weg gehen.“ Weise Worte eines weisen Films.