Chiara

23.06.2022

Der italienische Regisseur Jonas Carpignano hat mit CHIARA einen etwas anderen Mafia-Film gedreht – ganz im Stil des Neorealismus. Das erschütternde Drama spielt in der süditalienischen Kleinstadt Gioia Tauro in Kalabrien. Im Zentrum steht die 15-Jährige Chiara, die hinter das dunkle Geheimnis ihrer Familie kommt. Die besondere Pointe: Die Laiendarsteller werden (fast) alle von Mitgliedern „einer“ Familie gespielt.

Chiara (Swamy Rotolo) feiert ausgelassen den 18. Geburtstag ihrer Schwester Giulia (Grecia Rotolo). Doch die Stimmung kippt, als ihr Vater Claudio (Claudio Rotolo) sich standhaft weigert, einen Trinkspruch auf seine geliebte Tochter zum Besten zu geben. Einen Tag später ist das Familienauto abgefackelt und Claudio verschwunden, der landesweit von der Polizei gesucht wird. Als sie unter dem Haus einen möblierten Bunker entdeckt, hakt sie bei ihrem Cousin energisch nach. Doch der stellt sich stur. Allmählich wird klar: Die Familie gehört zur lokalen Mafia. Ist ihr Vater ein Mörder und Drogendealer, fragt sich Chiara.

Die 15-Jährige beginnt, die Schule zu schwänzen, wird im Freundeskreis aufmüpfig und legt sich mit einer Roma-Familie an, bis sich das Jugendamt einschaltet. Ein Familienrichter gibt sie zur Adoption im fernen Urbino frei, um sie aus den Klauen der Mafia zu befreien. In ihrem Alter habe sie noch die Chance, ein neues Leben zu beginnen. Doch sie flieht aus dem Zug und besucht ihren Vater in seinem Einöde-Erdbunker. Als er sie abends zu einer illegalen Aktion mitnimmt, trifft sie eine Entscheidung…

Diesen bitteren Film hat US-Kameramann Tim Curtin mit schonungslosen Szenen bebildert. Seine hektische Handkamera kreist ständig um die Familie – und immer wieder ist Chiara im Bild. Dass Swamy Rotolo eine Laiendarstellerin ist, merkt man ihrem grandiosen, intensiven Spiel nicht an. Welch ein Gesicht! Regisseur Jonas Carpignano verzichtet konsequent darauf, ein schnelles Urteil über die Familie zu fällen. Er beschönigt nichts, aber er stellt die Menschen nicht bloß.

Ich muss zugeben: CHIARA fängt etwas schleppend an, bis er sein Thema gefunden hat. Und die 122 Minuten hätten nicht sein müssen. Doch einen Kinobesuch ist er auf jeden Fall wert.

Trailer

ab12

Originaltitel

A Chiara (Italien / Frankreich 2021)

Länge

122 Minuten

Genre

Drama

Regie

Jonas Carpignano

Drehbuch

Jonas Carpignano

Darsteller

Swamy Rotolo, Claudio Rotolo, Grecia Rotolo, Carmela Fumo, Giorgia Rotolo, Antonio Rotolo, Vincenzo Rotolo, Antonina Fumo, Giusi D’Uscio, Patrizia Amato, Concetta Grillo

Verleih

MUBI

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