An Hour From the Middle of Nowhere

12.06.2025

Ein juristisch faires Asylverfahren ist in vielen Gebieten der USA nur schwer zu erhalten, denn die Abschiebegefängnisse liegen meist AN HOUR FROM THE MIDDLE OF NOWHERE und damit weit entfernt von Menschrechtsanwälten. Doch dann gibt es Menschen wie Marty Rosenbluth…

Stewart County im Westen des US-Bundesstaats Georgia an der Grenze zu Alabama: Hier liegt der verschlafene Ort Lumpkin, in dem nicht allzu viel passiert. Doch vor den Toren, versteckt im Wald, liegt eines der größten Abschiebegefängnisse der Vereinigten Staaten. Bis zu 2.000 Menschen warten hier auf ihren Prozess – überwiegend ohne juristische Begründung, denn im Umkreis von 200 Kilometern gibt es keine privaten Asyl- und Migrationsanwälte. Nur Marty Rosenbluth, der sein Leben gänzlich der Verteidigung der Menschenrechte verschrieben hat.

Zusammen mit seiner Assistentin Alondra Torres kämpft er gegen die Willkür der Gerichte. Denn für die privaten Betreiber der Abschiebegefängnisse ist das Ganze längst zu einem lukrativen Geschäft geworden. Je länger die Menschen einsitzen, desto mehr Geld kassieren die Betreiber. Und so bekommen die Einsitzenden meist nur juristischen Beistand, wenn sich ein Dritter in ihren Fall einmischt. So wie Marty…

AN HOUR FROM THE MIDDLE OF NOWHERE ist einer dieser Dokumentarfilme, die gänzlich ohne einen Erzähler auskommen. Ich bin normalerweise kein großer Freund dieses Stils, da es in meinen Augen bei bestimmten Dingen einer Einordnung bedarf. So lief beispielsweise im vergangenen Jahr beim Filmfest Hamburg mit „Homegrown“ von Michael Premo ein Film über die Welt der radikalisierten Trump-Anhänger. Der Regisseur begleitete die (überwiegend) Männer, wie sie sich immer mehr in ihrer Hass-Ideologie verfangen. Doch Premo unterließ es, die gezeigten Szenen einzuordnen. So war nie wirklich klar, ob er diese Menschen nun verehrte oder verachtete. Mitglieder dieser Kreise könnten sich daher durch diesen Film eher noch bestärkt fühlen, ganz nach dem Motto „Schaut, die machen einen Film über uns. Dann tun wir ja offenbar das Richtige.“

Das ist zum Glück in AN HOUR FROM THE MIDDLE OF NOWHERE nicht der Fall, denn der Film ist vielmehr das Porträt eines unermüdlichen Kämpfers als eine Anklage an das System. Indem die beiden Regisseure Ole Elfenkaemper und Kathrin Seward beispielsweise die Anmoderationen von Radio-Moderatoren direkt vor Telefon-Interviews mit Marty Rosenbluth im Film belassen, versorgen sie den Zuschauer mit zusätzlichen Informationen, ohne einen Sprecher einzusetzen. Zwar hätte ich mir hier und dort noch ein wenig mehr Hintergrundinfos gewünscht, aber immerhin fühlte ich mich keinesfalls uninformiert.

So erfahren wir davon, warum das Geschäft mit den Abschiebegefängnissen inzwischen so lukrativ ist, und warum Menschen halbwegs automatisiert durch kleinste Verstöße wie Blitzertickets oder Parkverstöße ins Visier der ICE geraten, der United States Immigration and Customs Enforcement, der größten Polizei- und Zollbehörde des Ministeriums für Innere Sicherheit.

Die Regisseure Ole Elfenkaemper und Kathrin Seward liefern mit AN HOUR FROM THE MIDDLE OF NOWHERE ein erschütterndes Bild der USA. Auch wenn wir durch Trump so etwas inzwischen leider gewohnt sind, lässt uns dieses Gebaren bei jedem der gezeigten Fälle erschaudern – uns aber auch mit Marty und Alondra freuen, wenn sie wieder einmal einem Insassen helfen konnten.

Trailer

ab12

Originaltitel

An Hour From the Middle of Nowhere (Deutschland 2024)

Länge

86 Minuten

Genre

Dokumentation

Regie

Ole Elfenkaemper, Kathrin Seward

Drehbuch

Ole Elfenkaemper, Kathrin Seward

Kamera / Director of Photography (DOP)

Ole Elfenkaemper, Kathrin Seward

Darsteller

Protagonisten: Marty Rosenbluth, Alondra Torres

Verleih

barnsteiner-film

Filmwebsite

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