Der Film der Woche

Wunderschöner

13.02.2025

Gerade einmal drei Jahre ist es her, dass Karoline Herfurth sich komödiantisch-ernst mit dem Thema Schönheitsideale auseinandergesetzt hat. In der Fortsetzung WUNDERSCHÖNER vertieft sie das Ganze, erweitert den Fokus und trifft erneut voll ins Schwarze.

Obwohl Nadine (Anneke Kim Sarnau) alles tut, um für ihren Mann Phillipp (Godehard Giese) weiterhin attraktiv zu sein, lässt sich dieser mit einer Prostituierten erwischen. Das ist gerade in seiner Position als Finanzminister wenig förderlich. Ihre gemeinsame Tochter Lilly (Emilia Packard) muss sich derweil in der Schul-Projektwoche von ihrer Lehrerin Vicky (Nora Tschirner) langweilige Vorträge über die Unsichtbarkeit von Frauen in der Geschichte anhören, während ihr Freund Enno (Levy Rico Arcos) in einem Kurs über toxische Männlichkeit feststeckt. Der wird von Trevor (Malick Bauer) geleitet, auf den Vicky wiederum ein Auge geworfen hat, obwohl sie ihren Freund Franz (Maximilian Brückner) vermisst, der sich schon länger auf einen Selbstfindungstrip in die Berge zurückgezogen hat. Julie (Emilia Schüle) hingegen freut sich auf ihren neuen Job als Aufnahmeleiterin einer TV-Show. Doch gleich am ersten Tag trifft sie auf einen übergriffigen Kollegen, was dazu führt, dass ihre Selbstzweifel überhand nehmen. Doch selbst als sie sich wehrt, möchte davon niemand etwas hören, erst recht nicht die überaus arrogante Moderatorin Regine (Anja Kling). Auch Sonja (Karoline Herfurth) und Milan (Friedrich Mücke) fällt das gegenseitige Zuhören schwer. Mit Hilfe einer Paartherapie versuchen die beiden, ihre Differenzen zu überwinden. Doch als Sonja herausfindet, dass sich Milan mit einer anderen Frau trifft, überkommt Sonja die Angst, völlig allein zu enden, also stürzt sie sich selbst in den Datingdschungel. Dabei merkt sie jedoch schnell, dass sie etwas vollkommen anderes braucht…

Das ist mal eine Ansage: 138 Minuten lang ist die Fortsetzung ihres Films „Wunderschön“. Auf den ersten Blick eigentlich viel zu lang für eine Dramödie, doch Karoline Herfurth nutzt die ihr gegebene Zeit mehr als sinnvoll. Zwar greift sie neben dem Blick auf die gesellschaftlichen Schönheitsideale diverse zusätzliche Themen auf, keines davon kommt jedoch zu kurz. Diese Ausgewogenheit ist es dann auch, die WUNDERSCHÖNER so besonders macht.

Viele Filmschaffende sind bereits an der Mehrfachbelastung Drehbuch, Regie und Hauptrolle gescheitert – nicht so Karoline Herfurth. Ich halte es für bewundernswert, wie es ihr gelingt, all diese Aufgaben im Gleichgewicht zu halten. Weder stellt sie ihre eigene Figur zu sehr in den Vordergrund, noch erweckt sie das Gefühl, irgendeines der Themen zu schnell abzuarbeiten. Das können nicht viele. Inzwischen ist allein ihr Name Garant für einen guten Film. Nachdem „Wunderschön“ mit knapp 1,7 Millionen Zuschauer*innen zu den erfolgreichsten deutschen Filmen unter weiblicher Regie gehört (und im Gesamtranking 2022 gegen „Avatar“, „Top Gun“, „Marvel“ und den „Minions“ sogar nur haarscharf an den Top Ten vorbeigeschrammt ist), wird WUNDERSCHÖNER diese Zahl mit Sicherheit noch übertreffen.

In WUNDERSCHÖNER hat Karoline Herfurth den komödiantischen Teil ein ganzes Stück zurückgefahren, um sich mehr auf die ernsten Aspekte konzentrieren zu können. Das ist gut so, schließlich lassen Themen wie #meToo eigentlich keine Gags zu. Doch auch Herfurth hat nicht für alle Probleme eine Lösung – bei manchen wird klar, dass sie nicht durch ein paar kluge Sätze verschwinden werden. Also versucht sie gar nicht erst, uns ein Allheilmittel für Übergriffigkeit zu präsentieren. Aber mitunter hilft es ja schon, wenn man Problem anspricht und überhaupt erst sichtbar macht.

Zum Glück unterlässt es Herfurth, den erhobenen Zeigefinger auszupacken – belehrend ist WUNDERSCHÖNER nämlich zu keinem Zeitpunkt. Hier dürfen Männer auch mal weinen, ohne gleich als Weicheier tituliert zu werden. Im Gegenzug zeigt der Film, wie wichtig es gerade in der heutigen Zeit ist, Haltung zu bewahren, nach Gemeinsamkeiten zu suchen anstatt nach dem, was uns voneinander trennt und uns gegenseitig mit Respekt zu begegnen.

Natürlich könnte man jetzt darüber streiten, ob man WUNDERSCHÖNER nicht auf die übliche Kinofilm-Länge hätte reduzieren können, doch das würde der Geschichte nicht gerecht werden. Manche Filme benötigen nun mal Zeit, um Dingen auf den Grund zu gehen und sie nicht nur oberflächlich abzuarbeiten. Schön, dass es Filmschaffende wie Karoline Herfurth gibt, die ihre Stimme für die wichtigen Probleme unserer Gesellschaft einsetzen. Danke dafür.

Trailer

ab12

Originaltitel

Wunderschöner (Deutschland 2024)

Länge

138 Minuten

Genre

Komödie / Drama / Romanze

Regie

Karoline Herfurth

Drehbuch

Monika Fässler, Karoline Herfurth

Kamera / Director of Photography (DOP)

Daniel Gottschalk

Darsteller

Anneke Kim Sarnau, Karoline Herfurth, Emilia Schüle, Nora Tschirner, Emilia Packard, Friedrich Mücke, Godehard Giese, Malick Bauer, Anja Kling, Samuel Schneider, Maximilian Brückner, Levy Rico Arcos, Albert Lichtenstern, Dilara Aylin Ziem, Jasmin Shakeri, Barbara Schnitzler, Bianca Radoslav

Verleih

Warner Bros. Entertainment GmbH

Filmwebsite

» zur Filmwebsite

Weitere Neustarts am 13.02.2025