Der Film der Woche

Nope

11.08.2022

Der farbige US-amerikanische Regisseur Jordan Peele ist eindeutig der Meister des modernen Horrorfilms. Nach „Get Out“ und „Wir“ legt er jetzt mit NOPE seine dritte Schreckensvision innerhalb von fünf Jahren vor. Und was für eine! Doch das unsägliche Spoiler-Verbot erlaubt es dem Rezensenten nicht, allzu viel zu verraten. Was passiert hier eigentlich?

Immerhin gibt das offizielle Filmplakat einen deutlichen Hinweis: Es geht wohl um unerklärliche Himmelserscheinungen. Da denkt wohl jeder: etwa ein Ufo? Doch bevor es so weit ist, lässt sich der Regisseur sehr viel Zeit und heizt dabei die Spannung ständig an. Das kann er!

Jordan Peele beginnt mit einem Schock, den wie erst einmal verdauen müssen. Bei einer live übertragenen Sitcom geschieht 1998 ein schreckliches Unglück: Ein dressierter Schimpanse greift während einer Geburtstagsparty-Szene völlig unmotiviert die Schauspieler an. Man sieht nicht viel, aber offenbar tötet und verletzt er mehrere Menschen. Am Ende sitzt er mit blutverschmiertem Mund in den Kulissen. Nur ein kleiner, asiatisch aussehender Junge, der sich unter dem Tisch versteckt hatte, überlebt unverletzt. Doch seine Karriere als TV-Kinderstar ist beendet, inzwischen betreibt Jupe (Steven Yeun) in der Nähe von Los Angeles einen erfolgreichen Western-Themenpark. Einer seiner Geschäftspartner ist OJ (Daniel Kaluuya), der ihm gelegentlich ein Pferd verkauft.

Gemeinsam mit seiner Schwester Emerald (Keke Palmer) betreibt OJ in einem abgelegenen Tal eine Ranch für Hollywood-Pferde: Tiere, die dafür trainiert sind, vor der Kamera zu agieren. Beide sind stolz darauf, Nachfahren des ersten farbigen Jockeys zu sein, der 1887 bei einer der ersten Aufnahmen bewegter Bilder auf einem Pferd saß. Der Vater der beiden, Otis Sr. (Keith David), Gründer der Ranch, war vor kurzem auf mysteriöse Weise gestorben. Mitten am Tag fielen kleine metallische Gegenstände vom Himmel – und einer tötete den Mann.

Um dem Rätsel auf den Grund zu gehen, kauft das Geschwisterpaar im Elektronikfachgeschäft der nächstgelegenen Stadt mehrere Überwachungskameras, die der Angestellte Angel (Brandon Perea) persönlich montiert. Ganz wichtig: Eine der Kameras ist ständig in den Himmel gerichtet und beobachtet die Wolkenformationen. Doch warum bewegt sich eine der Wolken seit Tagen nicht?

Der Regisseur zeigt viel Gespür, uns diese drei Personen näher zu bringen. Der schüchterne Angel mit seiner Post-Punk-Frisur ist ein Alien-Fan und möchte unbedingt etwas Aufregendes erleben. OJ ist der große Schweiger, und Emerald sabbelt die beiden jungen Männer ständig voll. Ihrem faszinierenden Redeschwall kann niemand entkommen. Sie kann Stille nicht ausstehen: Ihre Rock-LPs hört sie so laut, dass sogar die Pferde Reißaus nehmen. Man spürt: Jordan Peele hat dieses ungewöhnliche Trio ins Herz geschlossen.

Als bei einer Touristen-Vorführung in der Western-Kulisse Präsentator Jupe und sein Tribünen-Publikum spurlos verschwinden, geraten Emerald und OJ langsam in Panik. Als wieder mal Gefahr droht, sitzt OJ in seinem Pick-up und fragt sich: „Soll ich meiner Schwester helfen und aussteigen?“ Seine Antwort: „Nope“. (Das ist US-Slang für „Nein“.) Immerhin überreden sie den altgedienten Kameramann Holst (Michael Wincott), den sie bei Dreharbeiten kennengelernt haben, ihnen die ultimative Aufnahme des Phänomens zu liefern, die sie dann an die Medien verkaufen können. Mit einer uralten Kurbel-Kamera (!) erscheint er auf der Farm: „Das Phänomen könnte ja negativ auf Stromenergie und elektromagnetische Strahlungen reagieren.“

Was jetzt im spektakulären Finale folgt, ist so überwältigend, dass man das Vergnügen und den Schrecken jedem einzelnen Kinozuschauer überlassen sollte. Hier wird nichts verraten! Der renommierte Kameramann Hoyte van Hoytema („Interstellar“, „Dunkirk“, „Tenet“) hat diese atemberaubenden Sequenzen komplett mit IMAX-Kameras gedreht – und diese Brillanz sieht man dem fertigen Film auch an. Viele werden ahnen, was man hier zu sehen bekommt – doch ich kann versichern: So etwas habt ihr noch nie auf der großen Leinwand erlebt!

Mit NOPE hat Jordan Peele sein Meisterstück abgeliefert. Dieses Finale wird jeden umhauen! Der Beginn mag etwas schleppend sein (deshalb auch nicht die Höchstnote), doch man sollte sich durch den langsamen Rhythmus nicht einlullen lassen. Das ist alles Absicht! Trotz der vielen Pferde: Dies ist kein moderner Western, sondern etwas völlig Eigenständiges. Ein Fest für die Augen!

Trailer

ab12

Originaltitel

Nope (USA 2022)

Länge

131 Minuten

Genre

Horror / Thriller

Regie

Jordan Peele

Drehbuch

Jordan Peele

Darsteller

Daniel Kaluuya, Keke Palmer, Steven Yeun, Michael Wincott, Brandon Perea

Verleih

Universal Pictures International Germany GmbH

Filmwebsite

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