Im Herzen jung

Autor: Jan-Barra Hentschel

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Ein verheirateter Mann in den besten Jahren verliebt sich unsterblich in eine 70-Jährige – so einfach kann ein französisches Melodram sein. Die Idee zu dem Film hatte die 2015 verstorbene isländisch-französische Regisseurin Sólveig Anspach. Nach langem Zögern hat sich ihre Kollegin Carine Tardieu entschieden, das Projekt zu vollenden. Jetzt kommt IM HERZEN JUNG in die deutschen Kinos – mit einer Traumbesetzung!

Der Onkologe Pierre (Melvil Poupaud) betreut in einem Lyoner Krankenhaus eine im Sterben liegende Frau, die Mutter seines Freundes Georges (Sharif Andoura). Dabei lernt er auch Shauna (Fanny Ardant), die aus Paris angereiste beste Freundin der Todkranken, kennen. 15 Jahre später überredet Georges Pierre bei einem Ärztekongress in Dublin, gemeinsam eine alte Freundin der Familie in einem Cottage an der Irischen See zu besuchen. Und schon stehen sich Pierre und Shauna nach so langer Zeit wieder gegenüber. Sie nutzt das idyllisch gelegene Haus als Sommerwohnsitz. Die Wiederbegegnung trifft Pierre wie ein Blitz. Bei einem Nachtspaziergang am Strand stellt sich schnell eine ungewöhnliche Vertrautheit ein.

Bei seiner Rückkehr bemerkt seine Frau Jeanne (Cécile de France) sofort, dass mit ihrem Mann etwas nicht stimmt. Bei einem Sponsorentreffen in Paris – er wirbt für eine neue Testreihe – nutzt er die Chance und besucht Shauna. Diese ist auf dem Sprung zu einem Abendessen mit Tochter und Enkelin und lädt Pierre spontan ein, mitzukommen. Auf dem Nachhauseweg folgt der erste Kuss – dann landen die beiden im Bett, obwohl Shauna große Zweifel hat. „Was willst du mit einer alten 70-jährigen Frau?“

Immerhin ist Pierre Manns genug, um seiner Frau den Seitensprung zu beichten. Erst reagiert sie spöttisch: „Ich habe dir auch nicht alles erzählt“. Dann bekommt sie einen Lachanfall: „70!!!“ Diese Szene spielt Cécile de France einfach grandios! Shauna und Pierre leben ihr Abenteuer hemmungslos aus – bis sich bei ihr erste Anzeichen einer Parkinson-Erkrankung einstellen. Sie kommt nicht mehr ohne Hilfe aus der Badewanne. Für sie eine klare Botschaft, die Affäre zu beenden…

Die Regisseurin Carine Tardieu, die auch am Drehbuch mitgeschrieben hatte, musste lange suchen, um „ihre“ Shauna zu finden. Sie wollte unbedingt eine Schauspielerin, die sich zu ihrem Alter bekennt und die bislang ohne Schönheits-OP oder Face-Lifting ausgekommen ist. Und in der einstigen Truffaut-Muse Fanny Ardant fand sie ihre Idealbesetzung. Wie diese ihre Rolle anlegt – eine Frau mit Falten, die sich zu ihrer späten Liebe bekennt -, ist einfach atemberaubend. Und Melvil Poupaud ist ohnehin einer der besten französischen Schauspieler unserer Tage. Wie haben ihn als jungen Mann in Eric Rohmers „Sommer“ kennengelernt, dann glänzte er in Xavier Dolans „Laurence Anyways“ als Mensch zwischen zwei Geschlechtern, inzwischen ist er Stammschauspieler von François Ozon.

IM HERZEN JUNG ist klassisches Schauspieler-Kino alter Schule – warum auch nicht? Ein Liebesfilm, den nur Französinnen und Franzosen so drehen können. In meinen Augen hat er nur einen Wermutstropfen: Er gibt zu viele Kranke – am Ende erwischt es auch noch Pierres 18-jährige Tochter. Ein bisschen viel!

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