Culture-Clash, Religionsfreiheit, Rassenvielfalt, Offenheit für alle Geschlechter (Stichwort: divers), Kampf gegen das Alter und das Übergewicht: Man hat das Gefühl, dass die deutsche Erfolgsregisseurin Doris Dörrie in ihrer neuen Komödie FREIBAD kein Thema, das uns dieser Tage auf den Nägeln brennt, auslassen wollte. Der Film ist ein Spiegelbild unserer Zeit – und die drei Drehbuchautorinnen Doris Dörrie, Karin Kaçi und Madeleine Fricke wussten genau, wie sie uns ins Kino locken können. Doch kritische Zuschauer merken natürlich die Absicht: Das ist alles genauso gewollt – als Kaleidoskop der Bundesrepublik Deutschland.
Der komplette Film spielt in einem Freibad irgendwo in Bayern: Es ist die einzige Badeanstalt Deutschlands, die nur für Frauen geöffnet ist. Die einzige Ausnahme ist Kim (Nico Stark), der Wurstverkäufer am Grill: Ist er schwul, ist er bisexuell, ist er trans – wer will das wissen? Die beiden Stammkundinnen, die ehemalige Schlager-Sängerin Eva (Andrea Sawatzki), mit deren Lied die Gäste jeden Abend zum Aufbruch aufgefordert werden, und ihre pummelige Freundin Gabi (Maria Happel), haben natürlich ihren festen Platz, samt Sonnenschirm und Badeliegen. Die energischen ältlichen Damen regen sich über jede Frau auf, die nicht hierher gehört: eine türkische, viel zu laute Familie, die illegal grillt, die Muslimin Yasemin (Nilam Farooq), die in Ganzkörper-Schwimmanzug ihre Bahnen zieht, und die übergewichtige deutsche Studentin Paula (Julia Jendroßek), die ihre Kommilitonin Yasemin anhimmelt.
Rocky (Lisa Wagner) sorgt dafür, dass an der Kasse alles klappt, und die farbige Schweizerin Steffi (Melodie Wakivuamina) kümmert sich als Bademeisterin um Ruhe im Schwimmbecken. Doch dann erscheint die Polizei (Männer!) – Streit im Freibad –, und eine Gruppe vermummter Syrerinnen will auch ins Wasser. Als dann auch noch Eva ihr Bikini-Oberteil ablegt und auf ihrem Recht – freie Brüste im Freibad – beharrt, ist das Chaos perfekt. (Eine bravouröse Aktion von Andrea Sawatzki). Dummerweise gibt die Bademeisterin irgendwann entnervt ihren Job auf, und als Nachfolger wird tatsächlich ein Mann (!) engagiert: Nils (Samuel Schneider), Evas Untermieter.
Man spürt, was Doris Dörrie mit ihrem Film wollte: ein Spiegelbild unserer Gesellschaft aufzeigen – mit all den Missständen, die sich in den vergangenen Jahren angehäuft haben. Der Ansatz ist brillant – doch das Ergebnis ist eher aufdringlich. Ein netter Versuch!
Freibad (Deutschland 2022)
102 Minuten
Komöie
Doris Dörrie
Doris Dörrie, Karin Kaçi, Madeleine Fricke
Andrea Sawatzki, Maria Happel, Nilam Farooq, Lisa Wagner, Melodie Wakivuamina, Julia Jendroßek, Sabrina Amali, Nico Stank, Samuel Schneider, Ilknur Boyraz, Sema Poyraz, Arzu Ermen, Semra Uysallar, Ulla Geiger, Simon Pearce, Pablo Sprungala, Amir Alkodur, Shadiya Almoussa, Leopold Schadt, Paulina Alpen
Constantin Film Verleih GmbH