Der Film der Woche

Der schlimmste Mensch der Welt

02.06.2022

Mit seinem neuen Film DER SCHLIMMSTE MENSCH DER WELT entführt uns Regisseur Joachim Trier in die heutige Welt der jungen Erwachsenen, denen alle Möglichkeiten offen stehen – und die das mehr und mehr überfordert.

Julie (Renate Reinsve) steht kurz vor ihrem 30. Geburtstag und fragt sich, wo nur die ganze Zeit geblieben ist. Während ihr über zehn Jahre älterer Freund Aksel (Anders Danielsen Lie) auf eine erfolgreiche Karriere als Autor politisch unkorrekter Comics zurückblickt, kann sie auf ihre abgebrochenen Studiengänge nicht wirklich stolz sein. So geht sie einer seriösen Familienplanung eher aus dem Weg, schließlich scheint für sie noch so viel möglich zu sein. Was sie wirklich von der Zukunft will, ist ihr eigentlich selbst gar nicht klar. Dann trifft sie auf einer Hochzeitsparty den charmanten Elvind (Herbert Nordrum) – und für eine Nacht steht die Welt still. Zum ersten Mal ist die sonst so unentschlossene Julie sich in einer Sache sicher – das muss Liebe sein. Allerdings fällt ihr die Trennung von Aksel deutlich schwerer als vermutet. Ist Elvind wirklich der Richtige? Wieder einmal meldet sich ihr wankelmütiges Wesen zurück. Ist sie vielleicht doch „der schlimmste Mensch der Welt?

Nach seinem englischsprachigen Film „Louder Than Bombs“ und seinem Genre-Ausflug „Thelma“ kehrt Joachim Trier mit DER SCHLIMMSTE MENSCH DER WELT in seine Heimatstadt Oslo zurück. Mit seinem Film versucht er das Lebensgefühl der heutigen Generation einzufangen, denen so dermaßen viele Möglichkeiten offen stehen, dass es ihnen immer schwieriger fällt, sich zu entscheiden. Aufgeteilt in 12 Kapitel, zuzüglich Prolog und Epilog, verleiht er seinem Film genau die Struktur, die im Leben seiner Protagonistin verloren gegangen ist. Nichts von dem, was sie anfängt, bringt sie auch zu Ende. Sei es das Medizinstudium, von dem sie zur Psychologie abdriftet, nur um dann wiederum bei der Photographie zu landen. Und bei jedem Wechsel ist sie felsenfest davon überzeugt, dieses Mal das Richtige zu tun.

Trier selbst hat DER SCHLIMMSTE MENSCH DER WELT als seinen ersten Liebesfilm bezeichnet. Wer daraufhin jedoch eine romantische Komödie nach Hollywood-Muster erwartet, wird schnell eines besseren belehrt. Trier findet hier seinen ganz eigenen Stil, indem er seine Protagonistin über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren verfolgt. Mal liegen die Ereignisse dicht beieinander, mal auch ein wenig mehr Zeit dazwischen. Dadurch sorgt Trier dafür, dass Hauptdarstellerin Renate Reinsve ihr ganzes Können offenbaren kann. Das er ihr die Rolle auf den Leib geschrieben hat, wird im Laufe des Films mehr als deutlich. Vor zehn Jahren hatte er sie bereits in einer kleinen Rolle in seinem Film „Oslo, 31. August“ besetzt und schwärmte von ihrer Energie. Über die Jahre spielte sie viele Rollen, jedoch niemals eine Hauptrolle. Daher fühlte er sich gezwungen, ihr selbst eine zu schreiben. Das Ergebnis können wir jetzt auf der Leinwand betrachten.

Mit DER SCHLIMMSTE MENSCH DER WELT ist Joachim Trier ein wunderbares Porträt einer Generation gelungen, das vor allem durch seine Klugheit und dem Respekt gegenüber seinen Figuren bestechen kann. Zu sehen, wie Renate Reinsve gekonnt zwischen Ernsthaftigkeit und Komik balanciert, ist ein wahres Fest für die Augen. Nicht umsonst ist sie dafür im vergangenen Jahr in Cannes als beste Schauspielerin ausgezeichnet worden. Jetzt liegt es an uns Kinogängern, dass diese Filmperle auch hierzulande den Respekt bekommt, den sie verdient. Also ab ins Kino!

Trailer

ab12

Originaltitel

Verdens Verste Menneske / The Worst Person in the World (Norwegen / Frankreich / Schweden / Dänemark 2021)

Länge

128 Minuten

Genre

Drama / Komödie

Regie

Joachim Trier

Drehbuch

Eskil Vogt, Joachim Trier

Darsteller

Renate Reinsve, Anders Danielsen Lie, Herbert Nordrum, Hans Olav Brenner, Helene Bjørneby, Harald Vidar Sandem, Maria Grazia de Meo, Lasse Gretland, Karen Røise Kielland, Deniz Kaya, Eia Skjønsberg, Marianne Krogh, Thea Stabell, Anna Dworak, Sofia Schandy Bloch, Savannah Schei, August Wilhelm Méd Brenner, Karla Nitteberg Aspelin, Tumi Falkum Løvik Ingimundarson, Ine Jansen

Verleih

Koch Films GmbH

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