Der Film der Woche

Das schweigende Klassenzimmer

01.03.2018

1956: Bei einem Kinobesuch in Westberlin sehen die Abiturienten Theo (Leonard Scheicher) und Kurt (Tom Gramenz) in der Wochenschau dramatische Bilder vom Aufstand der Ungarn in Budapest. Zurück in Stalinstadt entsteht spontan die Idee im Unterricht eine solidarische Schweigeminute für die Opfer des Aufstands abzuhalten. Doch die Geste zieht viel weitere Kreise als erwartet: Während ihr Rektor (Florian Lukas) zwar zunächst versucht, das Ganze als Jugendlaune abzutun, geraten die Schüler in die politischen Mühlen der noch jungen DDR. Der Volksbildungsminister (Burghart Klaußner) verurteilt die Aktion als eindeutig konterrevolutionären Akt und verlangt von den Schülern innerhalb einer Woche den Rädelsführer zu benennen. Doch die Schüler halten zusammen und werden damit vor eine Entscheidung gestellt, die ihr Leben für immer verändert…

Kritik

Obwohl er im Jahre 1956 in der DDR spielt, legt Regisseur Lars Kraume mit DAS SCHWEIGENDE KLASSENZIMMER einen Film vor, der erstaunlich viel aktuelle Brisanz aufweist.

Bereits mit seinem letzten Film DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER hat sich Kraume mit der deutschen Vergangenheit auseinandergesetzt, allerdings in Westdeutschland. Jetzt führt es ihn in die DDR, wo er das Sachbuch von Dietrich Garstka in ein spannendes Drama verwandelt hat. 

Das Dilemma einer solchen Verfilmung besteht für einen Regisseur immer darin, eine gesunde Mischung aus historischer Korrektheit und dramaturgisch notwendigen Änderungen zu finden. In DAS SCHWEIGENDE KLASSENZIMMER ist Krause das perfekt gelungen. Die familiären Hintergründe sind in diesem Fall frei erfunden, doch die grundlegenden Ereignisse, wie die eigentliche Schweigeminute, das gemeinsam RIAS-Hören oder der Ausschluss der gesamten Klasse vom Abitur hat es tatsächlich so gegeben. Das halte ich persönlich für vollkommen in Ordnung, denn schließlich möchte vermutlich kaum jemand eine dröge Geschichts-Dokumentation im Stil von Guido Knopp auf der großen Leinwand sehen. 

In einer kurzen, aber durchaus entscheidenen Rolle ist Burghart Klaußner als Volksbildungsminister Lange zu sehen. Eine Figur, die so bitterböse ist und die mit ihrer Macht über das Schicksal einer ganzen Schulklasse entscheidet. Dass dieser Mann aus Zwang glaubte, das Verhalten der Klasse bereits im Keime ersticken zu müssen, hat Klaußner besonders an seiner Rolle gereizt, wie uns der Schauspieler im nachfolgenden Interview verraten hat. 

Mit den Jungdarstellern – allen voran Leonard Scheicher, Lena Klenke und Jonas Dassler – ist Kraume, bzw. seiner Casterin Nessie Nesslauer ein echter Coup gelungen. Man merkt den Darstellern an, dass sie sich auf ihre Rolle vorbereitet haben, denn sie überzeugen in jeder einzelnen Szene. 

Der wichtigste Punkt ist jedoch der aktuelle Bezug des Films. In DAS SCHWEIGENDE KLASSENZIMMER hören die Jugendlichen mit RIAS Berlin zum ersten Mal einen westdeutschen Radiosender und müssen dadurch erfahren, wie beide deutsche Seiten mit Propaganda arbeiten. In der heutigen Zeit bezeichnet man so etwas einfach als „Fake News“ – es bleibt aber dasselbe. Und obwohl man in der heutigen Zeit wesentlich einfacher die Echtheit einer Meldung überprüfen kann, machen sich immer weniger Menschen die Mühe, dies auch zu tun. „Man kann niemals genug aus der Vergangenheit lernen“, so Kraume zu uns im Interview. Mit dieser Aussage liegt der Regisseur natürlich vollkommen richtig und unterstreicht, wie wichtig ein Film wie DAS SCHWEIGENDE KLASSENZIMMER heute noch ist. 

Interview

Trailer

ab12

Originaltitel

Das schweigende Klassenzimmer (Deutschland 2018)

Länge

111 Minuten

Genre

Drama

Regie

Lars Kraume

Drehbuch

Lars Kraume

Darsteller

Leonard Scheicher, Tom Gramenz, Anna Lena Klenke, Isaiah Michalski, Jonas Dassler, Ronald Zehrfeld, Florian Lukas, Jördis Triebel, Michael Gwisdek

Verleih

Studiocanal GmbH

Filmwebsite

» zur Filmwebsite

Weitere Neustarts am 01.03.2018