Ballad of a Small Player

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Nach seinen weltweiten Erfolgen mit „Im Westen nichts Neues“ (2022) und „Konklave“ (2024) konnte der deutsche Regisseur Edward Berger der Versuchung nicht widerstehen, für Netflix einen aufwendigen Film im Spielermilieu zu drehen. Und das Geld dahinter sieht man dem protzig inszenierten Werk auch an. Der Mystery-Thriller BALLAD OF A SMALL PLAYER ist das melancholische Porträt eines Verlorenen – gedreht in exotischer Umgebung.

Der erfolglose britische Glücksspieler Lord Doyle (Colin Farrell) flieht vor seinen Schulden und seiner Vergangenheit in die ehemalige portugiesische Kolonie Macau – auch bekannt als des Las Vegas des Ostens – und taucht ein in die Glitzerwelt der Spielcasinos. Macau gehört zwar seit 1999 offiziell zur Volksrepublik China, genießt aber, ähnlich wie Hongkong, einen Sonderstatus.

Lord Doyle versäuft und verspielt sein letztes Geld, bis sich die geheimnisvolle Casinoangestellte Dao Ming (Fala Chen) seiner annimmt. Als Doyle seine Hotelrechnung nicht mehr bezahlen kann und rausgeschmissen wird, lässt Dao Ming ihn aus Mitleid auf ihrem Hassboot übernachten, von dessen Existenz niemand weiß. Sie leiht ihm Geld, damit er weiterspielen kann – vor allem das extrem risikoreiche „Baccara“ – einem Spiel mit nur zwei (höchstens drei) Karten.

Oh Wunder, an der Seite von Dao Ming beginnt Doyles Glückssträhne. Doch plötzlich ist die schöne Chinesin spurlos verschwunden. Weder in ihrer Wohnung noch auf dem Hausboot findet er Hinweise – bis er einen Code knacken kann und Dao Mings Geldversteck entdeckt. Dank dieser Notenbündel wird Doyle innerhalb kürzester Zeit zum reichsten Mann in Macau. Als aber die Privatdetektivin Cynthia Blithe (Tilda Swinton) Doyle mit seiner dunklen Vergangenheit konfrontiert, fliegt der Schwindel auf: von wegen Lord – Doyle ist ein armer Schlucker aus Irland, sein perfektes Oxford-Englisch war nur Fassade. (Endlich darf Colin Farrell jetzt seinen geliebten irischen Akzent einsetzen.) Der Spieler und die Detektivin beginnen ihr Katz-und-Maus-Spiel…

BALLAD OF A SMALL PLAYER nach dem Drehbuch von Rowan Joffé, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Lawrence Osborne, ist eigentlich eine kleine, überschaubare Geschichte, eben eine melancholische „Ballade“. Doch der Regisseur und sein Kameramann James Friend hatten sich in die exotische, fast irreale Atmosphäre Macaus verliebt – in die Lichter und Farben, in die Springbrunnen und in den Kontrast zwischen Tradition und Moderne. Zitat Berger: „Ein Diamant im Neonlicht, dessen Reiz irgendwo zwischen Verführung und dem Abgrund schwebt.“

So ist ein überbordender, aufdringlicher Film entstanden, unterlegt mit der bombastischen Musik von Volker Bertelmann. In BALLAD OF A SMALL PLAYER ist alles Oberfläche. Schade!

P. S. Wer den japanischen Filmklassiker „Ugetsu – Erzählungen unter dem Regenmond“ (1953) kennt, ist bei der Lösung des Rätsels im Vorteil.