The 355

Autor: Jan-Barra Hentschel

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Die US-Schauspielerin Jessica Chastain hatte sich gesagt: „Was James Bond und Jason Bourne können, können wir Frauen schon lange.“ Und so entwickelte sie gemeinsam mit Drehbuchautorin Theresa Rebeck die Idee, einen Geheimagentenfilm komplett aus weiblicher Sicht zu drehen und ihn höchstpersönlich mitzuproduzieren. Der Titel THE 355 war schnell gefunden: „355“ war der Code-Name einer brillanten Spionin, die während der amerikanischen Revolution an der Seite von George Washington gegen die Briten kämpfte und deren Identität bis heute (!) nicht enttarnt worden ist. 

Der undurchsichtige Brite Elijah Clarke (Jason Flemyng) will einem Drogenbaron mitten im kolumbianischen Dschungel einen Datenschlüssel abkaufen, mit dem sich jedes Computersystem knacken und übernehmen lässt – um die Weltherrschaft zu übernehmen. (Diese Prämisse ist in Agentenfilmen wahrlich nicht neu.) Doch bei der Übergabe werden sie vom kolumbianischen Geheimdienst überwältigt: Agent Luis (Edgar Ramirez) nimmt während des Schusswechsels die Festplatte mit dem Datenschlüssel an sich, um sie der CIA zu verkaufen. US-Top-Agentin Mason „Mace“ Browne (Jessica Chastain) und ihr Partner Nick (Sebastian Stan) werden als vermeintliches Hochzeitspaar nach Paris geschickt. Doch auch hier geht bei der Übergabe einiges schief. Eine vermeintliche Barfrau mischt sich ein – sie entpuppt sich als BND-Agentin Marie (Diane Kruger), die sich mit Mace eine wilde Jagd in einem Tunnel der Metro liefert. Im Hotelzimmer bekommt Luis nach der gescheiterten Mission Besuch von seiner Therapeutin Graciela (Penélope Cruz), nebenbei Agentin des kolumbianischen Geheimdienstes.

Mace holt sich Rat bei ihrer Londoner Freundin Khadijah (Lupita Nyong’o), ehemals MI6, inzwischen Expertin für Cyberkriminalität. Auf der weltweiten Jagd nach der verschwundenen Festplatte wird den vier Frauen schnell klar: Nur gemeinsam bilden Mace, Marie, Khadijah und Graciela ein Traumteam, um den Dritten Weltkrieg zu verhindern. Über Marokko geht die Reise bis nach Shanghai, wo die Chinesin Lin (Bingbing Fan) zu ihnen stößt.

Regisseur Simon Kinberg hat sich in THE 355 routiniert an den bekannten Agententhrillern der Filmgeschichte orientiert. Nur dass diesmal die Frauen das Sagen haben. Ständige Ortswechsel, atemberaubende Stunts, laute Schießereien und Explosionen, packende Martial-Arts-Szenen: Action-Fans werden ihre Freude haben. Doch der Rest der Zuschauer wirkt eher gelangweilt. THE 355 bietet in mehr als zwei Stunden leider keine Überraschungen. Immerhin: Aus gegebenem Anlass ist der Film divers besetzt – eine weiße US-Amerikanerin, eine farbige Britin, eine spanisch-sprechende Südländerin, eine polyglotte Deutsche und eine Chinesin. Und die Männer kommen alle sehr schlecht weg! Die fünf Schauspielerinnen sind natürlich eine Klasse für sich – aber reicht das?

Trailer