Der Film der Woche

Birdman – oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit

29.01.2015

Riggan Thomson (Michael Keaton) erhofft sich durch seine Inszenierung eines ambitionierten neuen Theaterstücks am Broadway, neben anderen Dingen, vor allem eine Wiederbelebung seiner dahin siechenden Karriere. Zwar handelt es sich um ein ausgesprochen tollkühnes Unterfangen – doch der frühere Kino-Superheld hegt größte Hoffnungen, dass dieses kreative Wagnis ihn als Künstler legitimiert und jedermann, auch ihm selbst, beweist, dass er kein abgehalfterter Hollywood-Star ist. 

Doch während die Premiere des Stücks unaufhaltsam näher rückt, wird Riggans Hauptdarsteller durch einen verrückten Unfall bei den Proben verletzt und muss schnell ersetzt werden. Auf den Vorschlag von Hauptdarstellerin Lesley (Naomi Watts) und auf das Drängen seines besten Freundes und Produzenten Jake (Zach Galifianakis) hin engagiert Riggan widerwillig Mike Shiner (Edward Norton) – ein unberechenbarer Typ, aber eine Garantie für viele Ticketverkäufe und begeisterte Kritiken. Bei der Vorbereitung auf sein Bühnendebüt muss er sich nicht nur mit seiner Freundin, Co-Star Laura (Andrea Riseborough), und seiner frisch aus der Entzugsklinik kommenden Tochter und Assistentin Sam (Emma Stone) auseinandersetzen, sondern auch mit seiner Ex-Gattin Sylvia (Amy Ryan), die gelegentlich vorbeischaut, um die Dinge in ihrem Sinn zu richten.

Kritik

Wer immer sich auch nur annähernd für das Medium Kino interessiert, sollte BIRDMAN zum Pflichtprogramm seines nächsten Kinobesuchs machen. Selten war ein Film so intelligent auf so vielen Ebenen.

Beginnen wir mit der technischen Umsetzung: BIRDMAN wirkt, als wäre der gesamte Film aus einer einzigen Kamerafahrt entstanden. Kein sichtbarer Schnitt stört die fortlaufende Handlung. Ein Filmkenner erkennt natürlich die (wenigen) Momente, in denen „getrickst“ wurde, doch das tut nichts zur Sache. Technisch betrachtet zählt der Film zum Besten, was seit vielen Jahren auf der Leinwand zu sehen war.

Doch auch inhaltlich weiß BIRDMAN zu überzeugen. Obwohl Michael Keaton in Interviews bislang immer das Gegenteil behauptet, sind hier deutliche Parallelen zu seinem Leben erkennbar. Auch Keaton war einst in der Rolle eines Superhelden zu sehen und als er sich weigerte, ein drittes Mal das Batman-Cape anzuziehen, versank er ein wenig in der Versenkung. Sicherlich war er hier und dort immer mal wieder zu sehen, auf die große Hauptrolle musste er jedoch weiter warten. Gleiches ist der Hauptfigur Riggan Thompson widerfahren. Nur die Namen sind geändert. Das verleiht BIRDMAN eine unglaubliche Doppeldeutigkeit, die weit über eine normale Komödie hinausgeht.

Zu guter Letzt gibt es gerade für uns Filmkritiker eine entscheidende Szene, in der Keatons Figur auf eine Theaterkritikerin trifft, die ihm ohne Skrupel erzählt, dass sie sein Stück verreissen wird, ohne es überhaupt ansehen zu wollen. Daraufhin verfällt Keaton in eine Hassrede und faselt davon, dass hier viele Menschen für ihren Traum einstehen und es schlichtweg nicht verdient haben, zu Unrecht verpönt zu werden.

Das führt unweigerlich dazu, auch die eigene Handlungsweise zu überdenken. Wie schnell ist ein Film verrissen, ohne dass man dabei daran denkt, dass dieser vielleicht auch von Menschen mit ganz viel Herzblut gestemmt wurde. Und nur, weil vielleicht der Humor nicht zwingend kompatibel mit dem eigenen ist, wird daraus nicht automatisch ein schlechter Film. Mitnichten. So ist es für mich nach wie vor ein Anliegen, einen Film, der mir persönlich nicht gefällt – aus welchen Gründen auch immer – nicht als „schlecht“ zu bezeichnen. Er entspricht halt zu diesem Zeitpunkt einfach nicht meinem Geschmack. Nicht mehr und nicht weniger.

BIRDMAN – ODER DIE UNVERHOFFTE MACHT DER AHNUNGSLOSIGKEIT ist das erste wirkliche Kinohighlight in diesem Jahr. Und bei dieser Qualität habe ich berechtigte Zweifel, dass das in nächster Zukunft noch mal ein Film übertreffen wird. Also kann meine Botschaft nur lauten: Geht und schaut diesen Film. Ihr werdet es nicht bereuen!

Trailer

ab12

Originaltitel

Birdman or The Unexpected Virtue of Ignorance (USA 2014)

Länge

120 Minuten

Genre

Komödie / Drama

Regie

Alejandro G. Iñárritu

Drehbuch

Alejandro G. Iñárritu, Nicolás Giacobone, Alexander Dinelaris, Jr., Armando Bo

Darsteller

Michael Keaton, Zach Galifianakis, Edward Norton, Andrea Riseborough, Amy Ryan, Emma Stone, Naomi Watts, Lindsay Duncan, Merritt Wever, Jeremy Shamos, Bill Camp, Damian Young

Verleih

Twentieth Century Fox of Germany GmbH

Filmwebsite

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