Der Film der Woche

Quiet Life

24.04.2025

Der erschütternde Film QUIET LIFE von Alexandros Avranas behandelt ein Phänomen, von dem Außenstehende wahrscheinlich noch nie gehört haben: das sogenannte „Child Resignation Syndrome“ („Kinder-Resignations-Syndrom“), das zuerst in Schweden beobachtet worden war. Flüchtlingskinder fallen ohne erklärbaren Grund plötzlich in Apathie. Aktueller kann ein Thema nicht sein!

Schweden 2018: Sergei (Grigory Dobrygin, „A Most Wanted Man“) und Natalia (Chulpan Khamatova, „Good Bye Lenin“) sind mit ihren beiden Töchtern Katja (Miroslava Pashutina) und Alina (Naomi Lamp) wegen politischer Verfolgung aus Russland nach Schweden geflohen und haben sofort einen Asylantrag gestellt. Der Regimekritiker wäre bei einem Anschlag in der Heimat fast getötet worden.

Der Film beginnt mit der hochnotpeinlichen Befragung der Familie durch eine extrem unfreundliche Beamtin der Einwanderungsbehörde. Das Ganze spielt sich in einem kahlen, fensterlosen Raum ab, der die russische Familie zusätzlich einschüchtern soll. Mit aggressiven Fragen setzt die hartherzige Frau das Ehepaar immer mehr unter Druck. Das Entsetzen ist Natalia und Sergei förmlich ins Gesicht geschrieben. (Ich vermute, schwedischen Kinozuschauern wird diese Szene gar nicht gefallen.)

Wie zu erwarten, wird der Asylantrag aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt und die Ausweisung angeordnet. Immerhin darf die Familie bis dahin in einer feudalen Wohnung leben. Doch Katja, die jüngere der beiden Töchter, bricht, traumatisiert von der Ablehnung, zusammen und fällt ins Koma. Die Ärzte stehen vor einem Rätsel – trotz vieler Tests können sie sich diese Apathie nicht erklären. Dafür ist das oben genannte Syndrom noch zu unerforscht.

Die aktuelle Ausweisung ist durch den neuen Umstand natürlich erst einmal hinfällig, aber die Behörden finden eine neue Schikane: Die Familie wird in ein Kellerloch gesteckt – unmenschlicher kann man wohl nicht sein! Verzweifelt versuchen die Eltern alles, um eine Atmosphäre der Sicherheit, Stabilität und Hoffnung zu schaffen, die ihre Tochter braucht, damit sie wieder aufwacht…

Der griechische Regisseur Alexandros Avranas hat diese europäische Koproduktion – sechs (!) Länder waren an der Entstehung beteiligt – mit analytischer Schärfe und schonungsloser Offenheit in kalten Farben inszeniert. Dabei wählte er bewusst einen polemischen Ansatz, um ein scheinbar so liberales Land wie Schweden bloßzustellen. Doch zugunsten der Skandinavier sei gesagt: Dieses „Child Resignation Syndrome“ existiert auch in anderen Ländern – wurde aber dummerweise zuerst in Schweden diagnostiziert. Pech gehabt!

QUIET LIFE fand auch beim Filmfest Hamburg, sowie bei den Nordischen Filmtagen in Lübeck viel Anklang. Dieses unglaubliche Phänomen, das hier behandelt wird, mag prozentual weltweit nur wenige Kinder betreffen – aber es ist schrecklich genug. Gut, dass es diesen Film gibt!

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Quiet Life (Frankreich / Griechenland / Deutschland / Estland / Schweden 2024)

Länge

91 Minuten

Genre

Drama

Regie

Alexandros Avranas

Drehbuch

Stavros Pamballis, Alexandros Avranas

Kamera / Director of Photography (DOP)

Olympia Mytilinaiou, GSC

Darsteller

Chulpan Khamatova, Grigory Dobrygin, Naomi Lamp, Miroslava Pashutina, Eleni Roussinou

Verleih

Wild Bunch Germany GmbH

Filmwebsite

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