Der Film der Woche

Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit

04.09.2014

John May ist ein Mensch der besonderen Art: Ein Eigenbrötler, akribisch, zurückhaltend, aber mit einem großen Herz für andere. Mit wahrer Engelsgeduld kümmert er sich als „Funeral Officer“ im Auftrag der Londoner Stadtverwaltung um die würdevolle Beisetzung einsam verstorbener Menschen. Selbst für das Schreiben der Trauerreden findet er Zeit und Worte – gehalten auf Trauerfeiern, die nur auf einen einzigen Gast zählen können: Mr. May. 

Doch John Mays Sorgfalt und Hingabe passen schlecht zusammen mit dem strengen Gebot der Wirtschaftlichkeit, das sich die Stadtverwaltung auf die Fahnen geschrieben hat. Warum sich solche Mühe machen für Tote, die keiner mehr kennt? Seine Stelle wird gestrichen, ein letzter Fall bleibt ihm: Billy Stoke, einsam gestorben in seiner verwahrlosten Wohnung genau vis-à-vis von Mays penibel geordnetem Zuhause.

Fast obsessiv stürzt sich May auf diesen letzten Fall, der ihm so nahe ist. Wer war dieser Billy Stoke? Wie war sein Leben, wer waren seine Freunde, hatte er Familie? Als May auf die ersten Spuren stößt, beginnt eine befreiende Reise, die ihn auch sein eigenes Leben mit allen Aufregungen und Gefahren wagen lässt.

Kritik

Hin und wieder – aber leider viel zu selten – finden kleine filmische Perlen ihren Weg in unsere Kinos. MR. MAY UND DAS FLÜSTERN DER EWIGKEIT ist genau einer dieser Filme und genau deshalb gilt es, dieses cineastische Kleinod auf gar keinen Fall zu verpassen.

Eddie Marsan kennt man bereits aus vielen Filme. Ob als schlecht gelaunter Fahrlehrer in HAPPY GO LUCKY, als einsame Seele in VERA DRAKE oder als verklemmter Ehemann in DRECKSAU – immer war er „nur“ die Nebenrolle, dessen Namen man trotz beeindruckender Performances schnell wieder vergisst. Regisseur und Drehbuchautor Uberto Pasolini hat dem 44-jährigen Briten jetzt endlich eine Hauptrolle auf den Leib geschrieben, die zeigt, wie vielseitig der Mann ist. Spätestens nach diesem Film wird sich jeder Zuschauer an seinen Namen erinnern.

Uberto Pasolini ist es auf vortreffliche Art und Weise gelungen, einen Film zu drehen, der zu gleichen Maßen herzerwärmend und herzzerreissend ist und genau die Menschen zeigt, die bereits vor ihrem Tod in Vergessenheit geraten sind. Diesem John May muss man bei seiner täglichen Arbeit einfach gebannt zuschauen und erstaunt feststellen, dass die Welt in der wir leben vielleicht ein wenig besser wäre, wenn es mehr von diesen Menschen geben würde, die ihre Arbeit mit einer solchen Hingabe und Würde vollziehen.

Kurz vor dem Ende des Filmes wartet Pasolini mit einer für den Zuschauer völlig unvorhersehbaren Wendung auf, die einem erst einmal das Blut in den Adern gefrieren lässt. Kurzzeitig überlegt man, ob das dem Film jetzt gut getan hat und ob der Film an dieser Stelle nicht besser hätte enden sollen. Doch Pasolini erzählt weiter und schafft es so, die Geschichte zu einem wundervollen Abschluss zu bringen. Der dürfte für viele sicherlich tränenreich sein, aber sind mir doch mal ehrlich: Sind es nicht diejenigen Filme, die unser Herz berühren, die auch in unserer Erinnerung verbleiben?

In diesem Sinne: Wenn Sie in diesem Monat nur einen einzigen Film sehen, dann sollte es MR. MAY UND DAS FLÜSTERN DER EWIGKEIT sein.

Trailer

ab12

Originaltitel

Still Life (Großbritannien / Italien 2013)

Länge

92 Minuten

Genre

Drama / Komödie

Regie

Uberto Pasolini

Drehbuch

Uberto Pasolini

Darsteller

Eddie Marsan, Joanne Froggat, Karen Drury, Neil D'Souza, Andrew Buchan, Michael Elkin, David Shaw Parker, Ciaran McIntyre, Tim Potter, Paul Anderson, Bronson Webb, Leon Silver, Lloyd McGuire, Wayne Foskett, Hebe Beardsall, William Hoyland, Dborah Frances-White

Verleih

Piffl Medien GmbH

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