Die Gleichung ihres Lebens

Gründer und Chefredakteur von nochnfilm.de. Fan der kleinen, aber äußerst feinen Filme. Zwischendurch darf es auch gerne mal ein Blockbuster sein. In allen Genres zu Hause, aber ständig auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsfilm.

Als junges Mathematik-Genie, das an einem Fehler in einer Berechnung fast verzweifelt, zeigt Ella Rumpf in DIE GLEICHUNG IHRES LEBENS einmal mehr, dass sie problemlos einen ganzen Film tragen kann…

Ihre Leidenschaft sind die Primzahlen, doch als der brillanten Mathematikstudentin Marguerite (Ella Rumpf) bei einer Präsentation vor einem Forschergremium ein gravierender Fehler unterläuft, verliert sie die Fassung. Als ihr Doktorvater, der renommierte Professor Werner (Jean-Pierre Darroussin) an der École Normale Supérieure in Paris, sie daraufhin fallen lässt und sich lieber dem talentierten Studenten Lucas (Julien Frison) widmet, fällt Marguerite in ein Loch. Tief erschüttert und voller Selbstzweifel gibt sie ihr Studium auf und sucht sich einen simplen Aushilfsjob. Schnell muss sie jedoch erkennen, dass sich die mathematischen Rätsel dieser Welt nicht allein am Schreibtisch lösen lassen und dass das das Leben außerhalb der Universität so manche überraschenden Erkenntnisse bereithält. Und so ganz lässt sich die Mathematik, aber auch Lucas, nicht aus ihrem Leben verbannen…

Der Regisseurin Anna Novion gelingt es mit DIE GLEICHUNG IHRES LEBENS, uns einen eindrucksvollen Einblick in eine Eliteschule zu gewähren und uns die trockene Welt der Mathematik schmackhaft zu machen. Denn in diesen „Grande Ecoles“ schotten sich die Schüler oftmals stark von der Außenwelt ab, um sich voll und ganz ihrem Studium zu widmen. Dass es im Leben jedoch um weitaus mehr geht, als Formeln und Gesetzmässigkeiten, ist uns Zuschauern natürlich klar – unsere Hauptfigur muss dies jedoch erst lernen.

Auf der Suche nach einem Thema lernte Novion die Mathematikerin Ariane Mézard kennen, die ihr die Mathematik auf einer künstlerischen Ebene nahebrachte. Schnell war klar, dass sich das wunderbar für einen Film eignete. „Mathematiker können ihr ganzes Leben lang versuchen, ein Problem zu lösen, ohne dass sie sicher sind, dass es ihnen gelingt. Auch Filmemacher gehen das Risiko ein, dass ihr Projekt jederzeit scheitern kann“, so Novion. Genau diese Verbindung spürt man als Zuschauer in jeder einzelnen Minute des Films. Und Menschen, die aus ihrer geschlossenen Welt ausbrechen (müssen), sind von jeher ein Thema in der Welt des Films.

Ella Rumpf verleiht ihrer Figur Marguerite verdammt viel Authentizität. Man nimmt ihr die leicht merkwürdig auftretende Theoretikerin zu jedem Zeitpunkt ab. Und auch wenn ihre Figur dabei eingangs nicht gerade viele Sympathiepunkte sammelt, fiebern wir trotzdem irgendwie mit, wenn sie plötzlich überreagiert und alles hinschmeißt. Ein Mensch, der sich quasi von heute auf morgen seines gesamten Weltbildes entledigt und sich in kalte Wasser stürzt, ist und bleibt nun mal extrem interessant. Und vom echten Leben ist Marguerite halt mindestens genauso weit entfernt, wie der Papst von einem Kondom. Gerade diese Unbeholfenheit ist es, die unsere Sympathien umschwingen lässt.

Mit DIE GLEICHUNG IHRES LEBENS ist Anne Novion ein feiner, kleiner Film gelungen, der uns eine ungewöhnliche Figur näher bringt, mit der wir ansonsten vielleicht wenig mitgefiebert hätten.