Zikaden

19.06.2025

Auch diese Art Kino muss es geben: das hintergründige Melodram ZIKADEN von Ina Weisse lebt von seinen Andeutungen und Leerstellen. Hier ist nichts eindeutig – alles bewegt sich wie in einer melancholischen, rätselhaften Aura. Ein Film im Schwebezustand!

Ein Dorf in der brandenburgischen Provinz bei brütender Hitze. Die alleinerziehende Anja (Saskia Rosendahl), die mit ihrem banalen Leben selbst nicht klar kommt, sucht verzweifelt nach ihrer kleinen Tochter Greta. Sie findet sie am Waldrand, wo diese wilde Göre in einem Tierkadaver herumstochert. Welch ein radikaler Beginn!

Derweil bringt die gescheiterte Architektin Isabell (Nina Hoss), die eher lustlos als Immobilienmaklerin in Berlin arbeitet, ihre pflegebedürftigen Eltern (gespielt von den echten Eltern der Regisseurin) in deren Wochenendbungalow just ins gleiche Dorf. Ihr Vater, ein ehemaliger Stararchitekt, hatte das Haus selbst entworfen. Jetzt benötigt er nach einem Schlaganfall Pflege rund um die Uhr.

Zufällig begegnen sich Isabell und Anja im Dorf – und finden Gefallen aneinander. Beide spüren sofort den Alltagsfrust ihres Gegenübers. Isabells Ehe mit dem Franzosen Philipp (Vincent Macaigne) ist kurz vor dem Ende, und Anja leidet unter ihrem ungeliebten Job im Bowling-Center ihres übergriffigen Chefs Uwe (Thorsten Merten). Sie geben sich gegenseitig Halt, und die kinderlose Isabell ist ganz vernarrt in die aufmüpfige Greta. Sie bietet Anja sogar an, die Pflege ihres Vaters zu übernehmen.

Haben die beiden unglücklichen Frauen eine Zukunft? Ist es Freundschaft, ist es Liebe? Diese kleine, nur scheinbar banale und schon oft erzählte Geschichte deutet die Regisseurin, die auch das Drehbuch schrieb, nur zart an – unterstützt von der kongenialen Kamerafrau Judith Kaufmann, die diesen Sommer in traumhaft schöne Bilder hüllte.

Manchmal erinnert mich ZIKADEN an die Filme von Christian Petzold. Dessen Lieblingsschauspielerin Nina Hoss spielt auch hier wunderbar unterkühlt – an ihrer Seite eine überragende Saskia Rosendahl, die ihre für sie untypische Rolle ungewöhnlich derb und ruppig angeht. Beide spielen Frauen auf der Suche nach sich selbst – in einer filmischen Meditation voller Drastik und Poesie.

P. S. Zum Titel: Zikaden verbindet man meist mit Insekten aus dem mediterranen Raum. Doch sie leben auch bei uns – zum Beispiel im sommerlich heißen Brandenburg.

Trailer

ab6

Originaltitel

Zikaden (Deutschland 2024)

Länge

101 Minuten

Genre

Drama

Regie

Ina Weisse

Drehbuch

Ina Weisse

Kamera / Director of Photography (DOP)

Judith Kaufmann

Darsteller

Nina Hoss, Saskia Rosendahl, Vincent Macaigne

Verleih

DCM Film Distribution GmbH

Filmwebsite

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