Wenn das Licht zerbricht

08.05.2025

Zwischen Sonnenuntergang und Sonnenuntergang erzählt uns der isländische Regisseur Runár Runársson in seinem Film WENN DAS LIGHT ZERBRICHT von einer jungen Frau, die ihre Trauer verbergen muss…

Während die Sonne langsam im Meer versinkt, sitzen Una (Elìn Hall) und Diddi (Baldur Einarsson) am Ufer in Reykjavik. Noch weiß niemand, dass die beiden ein Paar sind, doch morgen will Diddi endlich in seine Heimatstadt fahren und die Fernbeziehung zu seiner Freundin Klara (Katla Njálsdóttir) beenden. Doch dann geschieht in einem Tunnel ein schrecklicher Unfall, bei dem Diddi ums Leben kommt. Während alle seine Freunde um Diddi trauern, muss Una ihre Gefühle zurückhalten. Als dann auch noch Klara auftaucht und von allen bemitleidet wird, wird es für Una immer schwieriger, ihr Geheimnis für sich zu behalten…

Gerade einmal 77 Minuten benötigt der isländische Autor und Regisseur Runár Runársson, um uns seine bewegende Geschichte nahezubringen. Auch die Story selbst erstreckt sich gerade einmal über 24 Stunden. Keine Vorgeschichte, kein Epilog sind notwendig, und dennoch entfaltet WENN DAS LICHT ZERBRICHT einen ungeheuren Sog. Das liegt in erster Linie an der Schauspielkunst von Elín Hall, der es gelingt, allein durch ihren ihren Blick viel mehr auszudrücken, als es anderen selbst durch Worte nicht gelingt. Wenn wir als Zuschauer in ihre traurigen Augen blicken, dann fühlen wir jeden Schmerz mit ihr gemeinsam.

Ich hatte das Glück, Elín Hall bereits in ihrer allerersten Filmrolle entdecken zu dürfen. 2018 spielte sie die Hauptrolle in „Let Me Fall“, einem der stärksten Filme Islands von Regisseur Baldvin Z. Darin spielt sie, noch unter ihrem Geburtsnamen Elín Sif Halldórsdóttir, eine 15-jährige, die zusammen mit ihrer Freundin im Party- und Drogenrausch unterzugehen droht. Die emotionale Kraft, die sie damals bereits ausstrahlte, findet sich auch in WENN DAS LICHT ZERBRICHT wieder. Kein Wunder, dass Baldvin Z sie seinem Kollegen für diese Rolle empfahl. Beim Chicago International Film Festival wurde Hall gerade erst für ihre Rolle der Una als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.

Elìn Hall gehört in diesem Jahr zudem zu den European Shootingstars, die von der European Film Promotion initiiert wurde und jedes Jahr im Rahmen der Berlinale vorgestellt werden. Eine fünfköpfige internationale Jury hat die zehn Ausnahmetalente ausgewählt und ihr Potenzial für eine internationale Karriere erkannt. Doch damit nicht genug: Elìn Hall ist auch als Musikerin aktiv und hat sich in Island bereits eine riesige Fangemeinde aufgebaut. Wie sie in ihren melancholisch angehauchten Songtexten Fantasie und Realität mit traumhaften Klangwelten verbindet, ist zu einer Art Markenzeichen geworden. Für ihr letztes Album „Heyrist í Mér?“ (Kannst Du mich hören?) erhielt sie gleich drei Nominierungen für den isländischen Musikpreis und gewann bei den Reykjavík Grapevine Music Awards den Preis als bestes Album des Jahres. Aktuell bereitet sie ihr erstes englischsprachiges Album vor.

Doch zurück zum Film. Nicht nur Elín Hall ist ein Highlight des Films, sondern auch die wunderschönen Landschaftsaufnahmen der Kamerafrau Sophia Olsson. Ihre Kamera ist zudem meist immer dicht an Unas Gesicht dran. Gleich in der ersten Szene sehen wir zuerst ihren Nacken im Sonnenuntergang, bevor jemand ihren Namen sagt. Sie zeigt Una immer dann von hinten, wenn der Anblick ihres Gesichts zu überwältigend wäre und versucht uns Zuschauern damit ein Gefühl zu geben, wie sich die junge Frau durch die unterdrückte Trauer und die Welt um sie herum navigiert. Und wenn sie uns ihr Gesicht zeigt, dann so, das wir darin ihren Gefühlszustand ersehen können. Selten hat mich die Art der Kameraarbeit so sehr beeindruckt wie in diesem Fall.

Runár Runársson überrascht aber auch beim Fortgang der Geschichte. Eigentlich würde man denken, WENN DAS LICHT ZERBRICHT zielt auf einen Eklat zwischen den beiden Frauen, doch weit gefehlt. Denn für Runársson ist es wichtig, dass eine Geschichte nicht nur aus Schwarz und Weiß besteht, sondern aus vielerlei Grautönen. „Dinge, die auf den ersten Blick schwarz oder weiß wirken, haben oft noch eine andere Seite. Auch wenn etwas auf den ersten Blick schrecklich wirkt, kann daraus etwas Wunderschönes entstehen, wenn man genauer hinsieht“, so Runársson über seinen Film. Vieles wird lediglich angedeutet, manches muss man sich als Zuschauer selbst erschließen. Aber genau das macht den Film so besonders.

WENN DAS LICHT ZERBRICHT ist ein ungewöhnlicher, aber verdammt sehenswerter Film, der uns am Ende mit einem (bzw. zwei) der schönsten Schlussbilder aus dem Kino entlässt.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Ljósbrot / When the Light Breaks (Island 2024)

Länge

77 Minuten

Genre

Drama

Regie

Runár Runársson

Drehbuch

Runár Runársson

Kamera / Director of Photography (DOP)

Sophia Olsson, FSF

Darsteller

Elín Hall, Mikael Kaaber, Katla Njálsdóttir, Baldur Einarsson, Gunnar Hrafn Kristjánsson, Ágúst Wigum

Verleih

Neue Visionen Filmverleih GmbH

Filmwebsite

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