Durch seine Arbeit in Theaterprojekten in einer Jugendstrafanstalt in Wiesbaden kam Regisseur Florian Dietrich in Kontakt mit Jugendlichen, denen eine Abschiebung droht, obwohl sie in Deutschland geboren sind und vielleicht niemals in ihrer „Heimat“ waren. Aus diesen Begegnungen ist TOUBAB entstanden, der gleichzeitig auch Dietrichs Abschlussfilm an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) ist. Dabei ist ihm ein wirklich differenzierter Blick auf einen Mikrokosmos gelungen.
Nach seiner Entlassung aus der Haft freut sich der 25-jährige Babtou (Farba Dieng) auf einen Neuanfang. Er will fortan das Leben genießen – natürlich mit seinem besten Kumpel Dennis (Julius Nitschkoff) – und niemals wieder etwas mit Behörden zu tun haben. Dass ausgerechnet seine kleine, spontane Willkommensparty aus dem Ruder läuft, war so nicht geplant. Gut, vielleicht hätte man sie nicht mitten auf einer Straßenkreuzung abhalten sollen, aber egal. So kommt es, dass Babtou noch am selben Abend wieder in Handschellen auf der Polizeiwache sitzt. Doch der große Schock kommt noch: Aufgrund seiner wiederholten Straffälligkeit soll Babtou nunmehr in seine „Heimat“, den Senegal abgeschoben werden. Dabei kennt er das Land lediglich aus den Geschichten seines Vaters, denn geboren wurde er in Frankfurt, Deutschland ist sein Zuhause. Um die drohende Abschiebung zu verhindern, sind Babtou und Dennis zu allem bereit…
Florian Dietrich macht in seinem Langfilm-Debut vieles richtig. Statt sich auf die negativen Aspekte einer drohenden Abschiebung zu konzentrieren, widmet er voll und ganz seinen Figuren und zeigt ihren unbändigen Mut, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Mitunter vergisst man als Zuschauer sogar, dass Babtou für seine missliche Lage sehr wohl selbst verantwortlich ist. Aber zum Glück redet der Film seine Taten nicht schön oder ignoriert sie gar. Stattdessen zeigt Dietrich, wie seinem Protagonisten klar wird, wie viel hier auf dem Spiel steht.
In einigen Punkten macht es sich der Film vielleicht sogar etwas zu einfach. Dass die junge Frau in der Wohnung gegenüber nun gerade lesbisch ist, wenn Babtou und Dennis eine homosexuelle Scheinehe vortäuschen und den Behörden etwas vorgaukeln, geht leider über einen wirklich Zufall weit hinaus. Aber was soll’s, schließlich nutzt der Film das dann wiederum im positiven Sinne aus.
Auch einige der „Gangsterfreunde“ wirken hier und dort ein wenig überzeichnet. Wobei ich mich dann doch immer mal wieder gefragt habe, ob das wirklich der Fall ist, oder ob wir und als Zuschauer im echten Milieu einfach nicht gut genug auskennen. Geschenkt. Denn immer wenn der Film droht, in die üblichen Klischees abzudriften, kriegt er zum Glück immer wieder die Kurve und überzeugt mit seinem Humor.
Das Ganze gipfelt in einem glaubwürdigen Ende, das zum Glück überhaupt nicht unserer Befürchtung entspricht. Bis zur letzten Sekunde hat Florian Dietrich – der mit Arne Dechow zusammen auch das Drehbuch verfasst hat – hier so gut wie alles richtig gemacht. Ich bin zumindest gespannt, was da in Zukunft noch kommen wird…
Toubab (Deutschland 2020)
97 Minuten
Komödie
Florian Dietrich
Florian Dietrich, Arne Dechow
Farba Dieng, Julius Nitschkoff, Seyneb Saleh, Michael Maertens, Valerie Koch, Paul Wollin, Burak Yiğit, Nina Gummich, Uwe Preuss, Ibrahima Sanogo, Thelma Buabeng, Mehmet Ateşçi, Gerdy Zint, Julia Gräfner, Kwam.E, Tamer Arslan, Christopher Vantis
Camino Filmverleih GmbH