Die Avengers existieren nicht mehr. Und ausgerechnet aussortierte Superhelden aus der zweiten Reihe sollen das Marvel Cinematic Universe retten? Musikvideo- und Serienregisseur Jake Schreier („Margos Spuren“) überrascht in seinem Blockbusterdebüt THUNDERBOLTS* völlig unerwartet mit einer gut erzählten, eher introspektiv-düsteren Geschichte!
Die Ausgangssituation von einer Loosergruppe, die sich zusammenraufen muss, um als Team zu funktionieren, ist natürlich nicht neu in der Filmgeschichte. DC hatte bei „Suicide Squad“ einen ganz ähnlichen Ansatz. Und auch in „Guardians of the Galaxy“ erlebten wir eine bunt zusammengewürfelte Truppe. Bei THUNDERBOLTS* ist aber nichts bunt und schrill, es gibt keine hektische Action, die von Schauplatz zu Schauplatz springt. Und vor allem wird uns die CGI-Hölle der letzten Machwerke aus dem MCU erspart.
THUNDERBOLTS* stellt andere, durchaus zeitgemäße Fragen „Wie fühlt es sich an, am Abgrund zu stehen? Wenn sich eine unheimliche Leere in einem ausbreitet? Wenn Einsamkeit und Dunkelheit die Welt übernehmen?“. Im Zentrum des neuen Marvel-Films steht Black Widow Yelena Belova (Florence Pugh), Ziehschwester von Black Widow Natasha Romanoff (seinerzeit gespielt von Scarlett Johansson). Sie führt eher lustlos Aufträge für die zwielichtige CIA-Chefin Valentina Allegra de Fontaine (Julia Louis-Dreyfus) aus.
Florence Pugh („Black Widow“, „We Live in Time“) ist übrigens der größte Glücksgriff bei THUNDERBOLTS*: Unfassbar, wie sie den Zuschauer scheinbar mühelos als Leading Lady in ihren Bann zieht und die Geschichte am Laufen hält. Gleich in der Eingangsszene erleben wir ihren spektakulären Sprung vom zweithöchsten Wolkenkratzer der Welt, den sie unbedingt selber machen wollte (Tom Cruise lässt grüssen). Yelenas nächste Mission soll die letzte sein, sie möchte nicht mehr abseits des Scheinwerferlichts agieren – Valentina nimmt sie beim Wort und schickt sie in eine Falle.
Der Gebäudekomplex, der wie eine Mausefalle zuschnappt, lässt die künftigen THUNDERBOLTS*-Charaktere das erste Mal aufeinander treffen. Am Start sind Taskmaster (Olga Kurylenko), Ghost (Hannah John-Kamen) und der gescheiterte Captain America John Walker (Wyatt Russell). Zunächst bekämpfen sie sich gegenseitig, stellen aber schnell fest, dass sie gemeinsam in eine Falle geraten sind. Der Film verweilt erfreulich lange an diesem Schauplatz. Der zunächst dysfunktionale Haufen muss sich zusammenraufen und teamfähig werden, um da wieder raus zu kommen. Es taucht mit Bob (Lewis Pullman) auch noch ein scheinbar verwirrter junger Mann auf, den sie unter ihre Fittiche nehmen.
Valentina Allegra de Fontaine fährt sämtliche US-Militärkräfte auf, damit die ausgemusterten Helden nicht entkommen. Sie hat die Rechnung allerdings ohne Bob gemacht, der auf einmal ungeahnte Superkräfte entfacht und den THUNDERBOLTS* die Flucht ermöglicht. Bob ist der einzige Überlebende eines medizinischen Forschungsprogramms und soll im Laufe des Films noch eine entscheidende Bedeutung bekommen. De Fontaine instrumentalisiert ihn erstmal.
Nun kommt der Red Guardian, Yelenas Ziehvater (David Harbour), ins Spiel und nervt erst mal hart. Er ermöglicht aber die Flucht in seinem abgewrackten Gefährt und sieht als erster Potenzial in den THUNDERBOLTS*. Was nun folgt, ist gut inszenierte Action: Eine lange Verfolgungsjagd in einer wüstenähnlichen Landschaft, das Militär dicht auf den Versen. Auf dem Motorrad naht der Winter Soldier (Sebastian Stan) als Unterstützung, der wiederum versucht, Valentina das Handwerk zu legen – als Politiker in Washington.
Regisseur Jake Schreier und seinen Drehbuchautor:innen ist wirklich etwas geglückt, womit kaum jemand gerechnet hat: THUNDERBOLTS* überzeugt mit spritzigen Dialogen und handfester Action, ist düster im Look, konzentriert sich auf wenige Schauplätze und verweilt dort lange. Das Innenleben der abgehalfterten Helden wird erfahrbar gemacht. Am Ende liegt New York dennoch in Schutt und Asche, ebenso imposant inszeniert. Die Stadt wird ins schwärzeste Schwarz getaucht, und der Showdown findet nicht ganz ohne Logikloch im metaphysischen Kinderzimmer von Bob voller traumatischer Erinnerungen statt.
Phase 5 des Marvel Cinematic Universe ist damit abgeschlossen. THUNDERBOLTS* (Yelena war mal mit ihrer Ziehschwester Natasha in einem erfolglosen Fußballteam, daher der Name) ist der 36. Film. Wie üblich lohnt sich ein Sitzenbleiben im Kino bis zum Ende des Abspanns.
Thunderbolts* (USA 2025)
127 Minuten
Action / Fantasy
Jake Schreier
Eric Pearson, Joanna Calo
Eric Pearson
Andrew Droz Palermo
Florence Pugh, David Harbour, Sebastian Stan, Hannah John-Kamen, Olga Kurylenko, Wyatt Russell, Lewis Pullman, Julia Louis-Dreyfus, Geraldine Viswanathan
Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH