The French Dispatch

21.10.2021

Es gibt unter Schauspielerinnen und Schauspielern seit Jahren einen internen Wettbewerb: Jeder möchte im nächsten Film von Wes Anderson mitspielen. In seinem neuesten Projekt THE FRENCH DISPATCH hat es sich der US-Regisseur ziemlich einfach gemacht – er ließ einfach alle dabei sein. Rollen gab es genug! 

Wes Anderson hat im Laufe des Jahre einen sehr eigenwilligen, unverwechselbaren Stil entwickelt. Seine Filme bestehen aus unzähligen Mini-Geschichten, die nicht unbedingt ein schlüssiges Ende haben müssen. So war „Grand Budapest Hotel“ aufgebaut, so ist jetzt THE FRENCH DISPATCH strukturiert. Nicht jeder Zuschauer findet Zugang zu dieser ungewöhnlichen Dramaturgie – manche halten diese Art Kino für zu verspielt und verzettelt, andere sind von diesem Fantasiereichtum restlos begeistert.

In der (fiktiven) französischen Stadt Ennui-sur-Blasé, für die offensichtlich Paris Modell stand, betreibt der US-Verleger Arthur Howitzer, Jr. (Bill Murray) das Magazin „The French Dispatch“. Als er an einem Herzinfarkt stirbt, stehen seine Angestellten vor einem Scherbenhaufen. Testamentarisch hatte er bestimmt, dass die Zeitung nach seinem Ableben aufgelöst wird und alle entlassen werden. So ist die letzte Ausgabe gleichzeitig ein Nachruf und ein journalistisches Schaufenster, was alles in diesem Magazin über die Jahre möglich war. Wes Anderson bebildert vier dieser Artikel: typisch für unsere Zeit in Farbe, Schwarzweiß und mit den unterschiedlichsten Bildformaten.

Ein rasender Fahrradreporter (Owen Wilson) zeigt uns die Schönheiten von Ennui-sur-Blasé, wobei er beim Radfahren echte Probleme hat. Die Kunstkritikerin (Tilda Swinton) stellt uns den Avantgarde-Künstler Moses Rosenthaler (Benicio del Toro) vor, der wegen Doppelmordes im Knast sitzt, die Politikjournalistin (Frances McDormand) berichtet über studentische Unruhen, und ein Jungredakteur (Jeffrey Wright) wird in eine Affäre um den Polizeipräsidenten (Mathieu Amalric) und seinen entführten Sohn verstrickt.

Bei dieser erzählerischen Vielfalt sucht sich natürlich jeder seine Lieblingsepisode heraus. Meine ist „Das Beton-Meisterwerk von J.K.L. Berensen“. Mit Überbiss und aufgetakelt wie Margaret Thatcher hält Miss Berensen (Tilda Swinton) einen Vortrag über den bizarren Moses Rosenthaler. Als Muse dient ihm die Gefängniswärterin Simone (Léa Seydoux), die ihm nackt Modell steht. Das fertige Bild will Kunsthändler Julien Cadazio (Adrien Brody) unbedingt erwerben und bestellt sofort weitere Werke. Zu dumm, dass sich die neue Serie als eine Folge von Fresken entpuppt, die sich natürlich nicht von der Wand lösen lassen.

Manche Schauspieler sind kaum zu erkennen. Timothée Chalamet („Dune“) spiet mit gewöhnungsbedürftigem Wuschelkopf einen 68er-Studenten, Christoph Waltz mit schütterem Haar einen Mann komplett neben der Spur, Saoirse Ronan ein aufgedonnertes Showgirl und Edward Norton einen Chauffeur und Entführer mit Gitarre. Da muss man manchmal ziemlich genau hinschauen, um ein berühmtes Gesicht zu erkennen.

Wes Anderson hat THE FRENCH DISPATCH als Hommage an den Poetischen Realismus Frankreichs der 1930er-Jahre angelegt – als Verbeugung vor Jean Renoir, Marcel Carné und René Clair. Wegen der vielen Einzelheiten, die wahnsinnig schnell vorbeirauschen, verdient der Film einen zweiten Besuch.

Trailer

ab12

Originaltitel

The French Dispatch (USA 2021)

Länge

103 Minuten

Genre

Komödie / Drama

Regie

Wes Anderson

Drehbuch

Wes Anderson

Darsteller

Benicio Del Toro, Frances McDormand, Mathieu Amalric, Christoph Waltz, Adrien Brody, Timothée Chalamet, Stephen Park, Edward Norton, Tilda Swinton, Lyna Khoudri, Bill Murray, Jason Schwartzman, Léa Seydoux, Jeffrey Wright, Owen Wilson, Anjelica Huston

Verleih

Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH

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