Spencer

13.01.2022

Der Chilene Pablo Larrain gilt als einer der besten Regisseure unserer Tage für Filmbiografien. Er schafft es immer wieder, seine Biopics nicht konventionell aussehen zu lassen – jedesmal gelingt ihm ein besonderer Ansatz. Nach „Neruda“ und „Jackie“ steht diesmal in SPENCER eine weltweite Ikone im Mittelpunkt: Prinzessin Diana!

Der Beginn des Films hat sogar mich verblüfft: Wir sehen uniformierte Soldaten in Jeeps und Lastwagen eine einsame Landstraße entlangfahren und in einem riesigen Gebäudekomplex schwere längliche Kisten (offenbar mit Gewehren bestückt) in den Keller tragen. (Eine persönliche Anmerkung: Ich war bei der Pressevorführung fast versucht, den Kinovorführer zu bitten, den richtigen Film zu zeigen.) Doch jetzt kommt die Pointe: Die Soldaten verlassen das Gebäude, und ihnen kommen Frauen und Männer in Weiß entgegen, die die Kisten öffnen: Hummer, Lachs, Fleisch, Gemüse, Dessert. Es ist das Weihnachtsessen für die Queen, das von den Köchen vorbereitet werden muss. Bravo, dieser Gag war super – und ich kenne viele Filme!

Schnitt: Eine junge, blonde Frau fährt mit ihrem Porsche-Cabrio über einsame Straßen und hat keine Ahnung, wo sie ist. Karten lesen kann sie offenbar nicht. Als sie in einem Fish-and-Chips-Café nach dem Weg fragen will, erstarren alle: Es ist Prinzessin Diana (Kristen Stewart). Sie will 1991 zum letzten Mal mit der königlichen Familie Weihnachten feiern, bevor sie und Charles sich trennen. Diese drei Tage auf dem Landschloss bilden das Herzstück dieses aufwühlenden Films mit einer überragenden Kristen Stewart.

Als Diana natürlich viel zu spät auf dem Schloss erscheint, ist die Familie verstimmt. Dass die Ehe mit Charles nicht mehr funktioniert, ist auch der Queen zu Ohren gekommen. Bezeichnenderweise konzentriert sich der Film auf Diana, Charles (Jack Farthing), ihre jungen Söhne William und Harry sowie ihre Vertraute (Sally Hawkins), den Zeremonienmeister (Timothy Spall) und den Küchenchef (Sean Harris). Der Rest der Familie bleibt im Hintergrund.

Fast wie in einem Bergman-Film erleben wir das schmerzliche Ende einer Beziehung. Diana hasst die offiziellen Dinners mit ihren verkrampften Ritualen, sie kommt ständig zu spät und will lieber mit ihren Söhnen zusammen sein. Und dann ist da noch die uns allen bekannte Bulimie, die Pablo Larrain ziemlich drastisch inszeniert. Er bebildert einen dreitägigen Albtraum!

Vielleicht nicht die beste Idee: In einer Art Geisterepisode zeigt uns der Regisseur, wie Diana das in der Nähe liegende, total verfallene Schloss ihres Vaters besucht und im Dunkeln die Treppe herabstürzt. Das wirkt doch reichlich aufgesetzt.

Aber das Ende ist versöhnlich: Nach dem missratenen Weihnachtsfest macht Diana mit ihren Söhnen Picknick an der Tower Bridge. Beim „Drive In“ muss sie ihren Namen nennen: „Spencer.“ Hier hat eine Frau mit ihrem bisherigen Leben abgeschlossen. Wer glaubt, alles über Lady Di zu wissen, wird überrascht sein. Komprimiert auf drei Tage wird die Tragödie einer der berühmtesten Frauen des 20. Jahrhunderts einfühlsam gezeigt. Das ist kein langweiliger Geschichtsunterricht, sondern intensives Kino. Der Oscar für Kristen Stewart wäre mehr als verdient!

P.S. Gedreht wurde der Film fast komplett in Schlössern in Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Trailer

ab12

Originaltitel

Spencer (Großbritannien / Deutschland / USA / Chile)

Länge

117 Minuten

Genre

Biographie / Drama

Regie

Pablo Larraín

Drehbuch

Steven Knight

Darsteller

Kristen Stewart, Timothy Spall, Jack Nielen, Freddie Spry, Jack Farthing, Sean Harris, Stella Gonet, Richard Sammel, Elizabeth Berrington, Lore Stefanek, Amy Manson, Sally Hawkins, James Harkness, Laura Benson, Wendy Patterson, Libby Rodliffe, John Keogh, Marianne Graffam, Ben Plunkett-Reynolds, Ryan Wichert, Michael Epp

Verleih

DCM Film Distribution GmbH

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