Mit der Verfilmung eines weiteren Romans der irischen Schriftstellerin Claire Keegan legt die diesjährige Berlinale einen eindrucksvollen Auftakt hin. Und Cillian Murphy ist in SMALL THINGS LIKE THESE mal wieder überragend…
Bill Furlong (Cillian Murphy) arbeitet im irischen Wexford als Kohlenhändler und schafft es gerade so, den Unterhalt für seine Frau (Eileen Walsh) und seine fünf Töchter zu verdienen. Als er im Winter 1985 kurz vor Weihnachten im Kohlenkeller des örtlichen Klosters ein junges Mädchen vorfindet, ist er gezwungen, sich mit seiner eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. In der Stadt stößt er jedoch auf eine Mauer des Schweigens, da die Einwohner vollständig unter der Kontrolle der Kirche stehen. Langsam beginnt Bill über sich selbst hinauszuwachsen und trifft eine zutiefst menschliche Entscheidung…
Nach „The Quiet Girl“ ist SMALL THINGS LIKE THESE bereits der zweite Film, der auf einem Roman der irischen Autorin Claire Keegan basiert. Mit seiner eigenen Produktionsfirma „Big Things Films„, die er 2022 zusammen mit Alan Moloney gegründet hat, stellte Cillian Murphy diesen kleinen, aber äußerst feinen Film auf die Beine. Während der Dreharbeiten zu „Oppenheimer“ sprach er mit seinem Co-Star Matt Damon über das Projekt, woraufhin dieser anmerkte, dass auch er gerade zusammen mit Ben Affleck die eigene Produktionsfirma „Artists Equity“ gegründet habe. Diese Geschichte sei doch perfekt für eine gemeinsame Produktion, so Damon auf der Pressekonferenz der Berlinale.
Der Film behandelt die Thematik der entsetzlichen Magdalenen Wäschereien, die von der katholischen Kirche von den 1820er-Jahren bis 1996 betrieben wurden, vorgeblich, um „gefallene junge Mädchen“ wieder auf den rechten Pfad der Tugend zu führen. Dabei handelte es sich anfangs um junge Prostituierte, später wurden dorthin auch junge Mädchen entsendet, als Bestrafung dafür, Sex vor Ehe gehabt zu haben. Erst 1993 wurde auf dem Friedhof der Wäscherei im Dubliner Stadtteil Donnybrook ein Massengrab entdeckt, in dem sich unzählige unbekannte Frauen befanden, deren Tod vertuscht werden sollte. Es dauerte trotzdem noch bis ins Jahr 1998, bis die Institutionen geschlossen und die Opfer vom Staat entschädigt wurden.
2002 wurde die Geschichte von Peter Mullen in seinem Film „Die unbarmherzigen Schwestern“ (The Magdalene Sisters) verfilmt. Darin spielt Eileen Walsh eines der Opfer. In SMALL THINGS LIKE THESE schließt sich der Kreis, denn hier ist sie jetzt als Ehefrau von Cillian Murphys Figur Bill Furlong zu sehen. Auch der Film „Philomena“ von Stephen Frears greift die Ereignisse im Kloster als Grundlage auf.
Dass Cillian Murphy diese Geschichte wichtig ist, sieht man in jeder einzelnen Einstellung. Er verleiht seiner Figur so viel Würde durch seine zurücknehmende Spielweise, dass man in seinen Augen, seiner gebückten Haltung und seiner zurückhaltenden Art jederzeit seine innere Zerrissenheit ablesen kann. Aber auch Emily Watson als Schwester Mary spielt mehr als beeindruckend, wenn sie Bill Furlong nach seinem Fund des jungen Mädchens im Kohlenkeller zum Tee hereinbittet. Unmissverständlich macht sie ihm klar, dass die Geschehnisse an diesem Tag doch besser im Verborgenen bleiben, sofern ihm an der guten Schulbildung seiner Töchter gelegen sei. Auf der Berlinale wurde Emily Watson dafür mit dem Silbernern Bären für die beste schauspielerische Leistung in einer Nebenrolle ausgezeichnet.
Der belgische Regisseur Tim Mielants, mit dem Cillian Murphy bereits bei der TV-Serie „Peaky Blinders“ zusammengearbeitet hat, liefert hier eine solide Arbeit ab. Er setzt den Fokus komplett auf die Figur des Bill Furlong und dessen inneren Kampf. Die Vorfälle in den Magdalenen Wäschereien streift er lediglich peripher, erweckt dadurch aber beim Zuschauer das Verlangen, mehr darüber zu erfahren – zumindest war das bei mir der Fall. Da es bereits, wie bereits erwähnt, diverse Filme und sonstiges Hintergrundmaterial gibt, ist das vollkommen zu verschmerzen, ja vielleicht sogar der komplett richtige Ansatz.
Mit SMALL THINGS LIKE THESE zeigt Cillian Murphy wieder einmal, dass er zu den eindrucksvollsten Darstellern gehört, die das aktuelle Kino vorzuweisen hat. Bleibt zu hoffen, dass der Film noch einen deutschen Verleih finden wird.