Ron Clements, John Musker und Osnat Shurer über VAIANA; „Uns lag es sehr am Herzen, dem Zuschauer ein ähnliches Erlebnis zu bescheren, wie wir es erlebt haben, als wir das erste Mal dort waren.“

Mit VAIANA kehren zwei echte Disney-Legenden auf die Kino-Leinwände zurück: Ron Clements und John Musker. Die beiden Regisseure zeigen sich bereits für die Disney-Meisterwerke ARIELLE, DIE MEERJUNGFRAU, ALADIN, HERKULES und KÜSS DEN FROSCH verantwortlich, um nur ein paar wenige zu nennen. Wir haben die beiden äußerst sympathischen Herren zusammen mit der Produzentin Osnat Shurer in Berlin zum Interview getroffen, und von von ihnen viele spannende und interessante Hintergrundinfos über VAIANA bekommen. 

 

Mit VAIANA haben sie uns wirklich einen wunderbaren Film beschert.

John Musker: Oh, vielen Dank!

Auch die Musik ist wieder einmal ganz wundervoll.

John Musker: Ja, gerade die Mischung aus der Insel-Musik von Opetaia Foa‘i (Gründer und Sänger der preisgekrönten Weltmusik-Band „Te Vaka“), den Texten von Lin-Manuel Miranda (Tony-Preisträger) und der Orchestrierung von Mark Mancina (Grammy-Preisträger) ist einzigartig.

Ron Clements: Unser großes Vorbild war DER KÖNIG DER LÖWEN. Mark Mancina war daran bereits beteiligt und ihm war es dort gelungen, die Songs von Elton John in ein afrikanisches Umfeld zu transportieren. Daher dachten wir, dass er hier etwas Ähnliches schaffen könnte.

Osnat Shurer: Und es ist ihm gelungen!

Der Regisseur John Musker, die Produzentin Osnat Shurer und der Regisseur Ron Clements (v.l.)

Da Sie gerade den König der Löwen erwähnt haben, wird es von VAIANA vielleicht auch ein Bühnenmusical geben?

(Alle lachen)

John Musker: Das ist nicht unsere Entscheidung. Aber es wäre durchaus eine Herausforderung, den Ozean als Figur auf die Bühne zu bringen.

Ron Clements: Aber ich glaube, dass das machbar ist.

Was war eigentlich der erste, ausschlaggebende Impuls, der Sie dazu gebracht hat, diesen Film zu machen?

John Musker: Das ist einfach aus dem Nichts entstanden. Vor fünf Jahren suchten wir nach einem Ort, an dem wir eine Geschichte spielen lassen können und der einen eindrucksvollen visuellen Hintergrund bietet, der aber noch nicht allzu oft verwendet wurde. Die pazifischen Inseln waren meine Idee, weil ich dort zwar noch nie gewesen war, es über diese Landschaft aber bereits sehr viele Bücher oder Gemälde gibt. Das hat mich dazu gebracht, Bücher über die polynesische Mythologie zu lesen. Mir war gar nicht bewusst, dass es dort diese wunderbaren Geschichten gibt. Darin geht es in erster Linie um eine Art anthropomorphe Natur, aber auch die Geschichten über den Halbgott Maui hatte ich zuvor nie gehört. Er war ein Trickser, ein Halbgott und ein Formwandler, hatte Tattoos und einen magischen Angelhaken – vergleichbar mit Thors Hammer. Da war mir sofort klar, dass der Animationsfilm genau das richtige Medium ist, um eine solche Geschichte zu erzählen.

Ich habe John davon erzählt und wir haben einfach einmal ein paar der Geschichten zusammen gesetzt und das Ergebnis bei John Lasseter gepitcht. Ihm gefiel der polynesische Hintergrund und die Figur des Maui, aber er sagte auch, dass wir noch viel mehr Nachforschungen anstellen müssten, da wir gerade mal an der Oberfläche gekratzt hatten. Also wurden wir dazu gezwungen – ich sage wirklich: gezwungen – in die Südsee zu reisen. Wir verbrachten drei Wochen auf Tahiti, Samoa, Fidschi, Sawa-i-Lau und all diesen anderen, wunderschönen Inseln und tauchten noch tiefer in deren Kultur ein. Dabei haben uns die Menschen gerade nicht die touristische Version gezeigt, sondern uns mit den Menschen zusammen gebracht, die zutiefst mit der dortigen Kultur verwurzelt sind. In einem kleinen Dorf auf Fidschi trafen wir auf Menschen, die genau wie ihre Vorfahren zur See fahren. Also sind wir mit ihnen gesegelt, während sie uns vom Meer erzählt haben, als ob es lebendig wäre und Gefühle und Stimmungen hätte. Außerdem erzählten sie uns von der Geschichte der Navigation, schließlich waren zählten sie zu den größten Navigatoren aller Zeiten, die ihre Ziele komplett ohne technische Hilfsmittel erreichen konnten. Sie erzählten uns ebenso von ihrer Verbindung zu ihren Vorfahren und davon, dass man „seinen Berg kennen müsse“ – ein Ausspruch, den ich nie zuvor gehört hatte. „Du bist der Gipfel all dessen, was Dir vorausgegangen ist“. Wenn Du das nicht verstehst, dann weißt Du auch nicht, wer Du bist.

All dies nahmen wir mit zurück in die USA und dort hatte dann Ron die Idee von diesem sechzehnjährigen Mädchen, die das Blut ihrer Vorfahren in ihren Adern spürt. Wie im Film haben die Menschen im Südpazifik für etwa 1.000 Jahre aufgehört, zur See zu fahren. Irgendwann ging es wieder los und es war seine Idee, dass Maui vielleicht der Auslöser war, dass die Reisen aufhörten und Vaiana diejenige ist, die für die Wiederaufnahme sorgt. So hat das alles angefangen.

Der Regisseur des Films, Ron Clements
Der Regisseur des Films, Ron Clements

Hat denn vielleicht irgendwann einmal jemand gesagt, dass das zwar eine tolle Geschichte ist, sie aber niemand kennt?

John Musker: Uns war durchaus bewusst, dass niemand diese Geschichte kennt. Ganz zu Anfang gab es den Song „We Know the Way“, der die Seefahrt zelebriert und wir dachten uns, lange bevor wir ein Drehbuch hatten, dass wir einen Song benötigen, der zeigt, wie wunderbar diese Sehfahrer waren.

Ron Clements: Uns lag es sehr am Herzen, dem Zuschauer ein ähnliches Erlebnis zu bescheren, wie wir es erlebt haben, als wir das erste Mal dort waren. Wir haben seinerzeit so viel gelernt und so viel Aufregendes erlebt, das wollten wir unbedingt an das Publikum weitergeben.

Osnat Shurer: Genau aus diesem Grund haben wir uns auch ein kleines Team von Experten zusammengestellt, die mit uns von unserer Reise zurückgekehrt sind. Wir haben beispielsweise einen Masternavigator getroffen, der uns geholfen hat, die Technik der Navigation zu verstehen. Wir hatten zwar viel darüber gelesen, waren uns aber nicht im Klaren, wie es wirklich funktioniert. Wir haben mit den Menschen in dem Dorf auf Fidschi geskypt, die mit uns aufs Meer hinaus gesegelt waren, nur um zu verstehen, wie die Seile auf den Booten funktionieren. Du kannst etwas nicht animieren, wenn Du nicht weißt, wie es überhaupt funktioniert – oder wie man Fehler macht. Denn ganz am Anfang macht Vaiana Fehler beim Segeln. Wir brauchten die Hilfe von ganz vielen Menschen, um diese Welt zum Leben zu erwecken.

Ron Clements: Was Vaiana im Film falsch macht, macht sie eben absolut korrekt falsch. (lacht) Selbst John Lasseter gefällt es immer, wenn wir Geschichten aus anderen Welten finden. Schließlich gehen uns langsam die Märchen aus. (lacht) Und es gibt es auf der ganzen Welt viele wunderbare Geschichten.

John Musker: Man kann sich aber auch mit einer Geschichte in einer fremden Welt identifizieren, wenn es darin uns bekannte Elemente gibt. Ein Teenager mit einer inneren Stimme, die ihr etwas sagen möchte oder Menschen, die Dir sagen, dass Du etwas nicht machen kannst – das sind universelle Geschichten, die nicht auf eine einzige Kultur beschränkt sind.

Der Regisseur des Films, John Musker
Der Regisseur des Films, John Musker

War es von Anfang an klar, dass es Musik und Songs im Film geben wird?

Ron Clements: Ja, das war sehr schnell klar, denn auf den Inseln gibt es überall Musik. Wir haben zwar nicht zwingend erwartet, dass es dort Willkommenslieder gibt, aber wir wurden fast überall durch Songs begrüßt. Als wir wieder gingen, gab es Abschiedssongs und auch dazwischen hat man immer wieder gefeiert und gesungen. Die Menschen legen dort ihr ganzes Herz in die Songs.

John Musker: Richtig, gleich im ersten Dorf hat man uns gefragt, ob wir etwas dagegen hätten, wenn man ein paar Andachts-Lieder singen würde, schließlich sei Mittwoch und das sei nun mal die Andachts-Nacht. Wir waren natürlich damit einverstanden und als sie angefangen haben zu singen, hat uns das total berührt. Da war uns klar, dass wir das auch in den Film bringen müssen.

Osnat Shurer: Wir haben auf den Inseln Harmonien gehört, die uns eine totale Gänsehaut verschafft haben.

John Musker: Ich bin bei meiner musikalischen Recherche auf die Band „Te Vaka“ mit ihrem Sänger Opetaia Foa‘i gestoßen. Obwohl die Songs in einer mir völlig unbekannten Sprache waren, konnte man dadurch ein starkes Gefühl für die Kultur spüren. Osnat hat dann mit ihm telefoniert und er war sofort mit an Bord.

Osnat Shurer: In ihren Songs zelebrieren sie die Navigation und ihre Kultur, daher war das für Opetaia einfach der nächste logische Schritt.

Ron Clements: Er uns Marc Mancina waren sogar die ersten Mitglieder unseres Teams. Aber dann war uns klar, dass wir noch eine dritte Person benötigen, jemanden aus der Welt des Theaters.

Der Musiker Opetaia Foa'i bei seinem Auftritt bei der Weltpremiere von VAIANA im El Capitan Theatre in Hollywood am 14.11.2016.
Der Musiker Opetaia Foa’i bei seinem Auftritt bei der Weltpremiere von VAIANA im El Capitan Theatre in Hollywood am 14.11.2016.

John Musker: Wir sind dann nach New York gegangen, weil wir wussten, dass wir einen Texter benötigen, und haben uns dort mit einigen getroffen. Lin-Manuel Miranda war zu dem Zeitpunkt nur einer von vielen, mit denen wir uns getroffen haben. Sein Musical „Hamilton“, dass gerade erst vor Kurzem für Aufsehen gesorgt hat, war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht produziert. Wir kannten nur sein Musical „In the Heights“ und mir gefiel daran, wie er darin von der spanischen zur englischen Sprache wechselt. Uns war sofort klar, dass wir genauso von der süd-pazifischen Sprache ins Englische wechseln könnten und Lin-Manuel war absolut offen gegenüber der Idee, mit diesen Musikern von den Inseln zusammenzuarbeiten. Die meisten anderen wollten immer alleine arbeiten und waren der Meinung, dass sie sonst niemanden benötigen würden. Außerdem hat er noch eine sehr lustige Seite an sich, denn er schreibt z.B. die Witze für die Tony Awards Show mit Neil Patrick Harris. Diese ganzen Dinge zusammen mit seinem Enthusiasmus haben uns klar gemacht, dass er derjenige für uns ist.

Ron Clements: Er hat damals nur ganz kurz dieses andere Theaterstück erwähnt, an der er gearbeitet hat und wir haben ihm dafür alles Gute gewünscht. Dann wurde „Hamilton“ – zumindest in den USA – zu einem absoluten Phänomen. Wir haben mit ihm etwa zwei Mal in der Woche gespypt, und er befand sich meistens immer in seiner Garderobe und war als Hamilton kostümiert, weil er kurz davor war, auf die Bühne zu gehen. Er ist wirklich extrem multitasking-fähig und es war unglaublich toll, mit ihm und dem Team zu arbeiten.

Von links nach rechts: Regisseur John Musker, Produzentin Osnat Shurer, Regisseur Ron Clements, Lina Larissa Strahl (leiht "Vaiana" ihre Stimme) und Andreas Bourani (spricht "Maui")
Von links nach rechts: Regisseur John Musker, Produzentin Osnat Shurer, Regisseur Ron Clements, Lina Larissa Strahl (leiht „Vaiana“ ihre Stimme) und Andreas Bourani (spricht „Maui“)

Welche Teile der Geschichte haben Sie wirklich in der Mythologie Ozeaniens gefunden und welche Teile haben Sie dazu erfunden?

Ron Clements: Schon bei unserer ersten Reise haben sehr viele Menschen vom Ozean gesprochen, als ob er lebendig wäre. Sie hatten eine Beziehung zu ihm und sprachen von ihm, als ob er Gefühle hätte. Uns war daher schnell klar, dass der pazifische Ozean eine Figur in unserem Film sein muss. Es musste uns nur noch klar werden, wie wir das bewerkstelligen. Das war nicht einfach und hat eine ganze Menge Nachforschungen erfordert.

Osnat Shurer: Vereinfacht gesagt kam die Inspiration für den Film von den Inseln im Südpazifik, z.B. Mauis Vergangenheit und was sonst noch zuvor geschehen ist. Außerdem die Seefahrt, die urplötzlich für 1.000 Jahre unterbrochen war. Niemand weiß, warum das so gewesen ist. Das brachte uns auf die Idee des Films. Unsere Geschichte ist absolut fiktional, aber durch die Mythologie inspiriert.

Ron Clements: Es ist eine fiktionale Theorie darüber, was passiert sein könnte.

Wie haben die Menschen dort denn auf die Geschichte reagiert?

John Musker: Sie lieben die Geschichte und waren sehr bewegt. Die Figur der Großmutter war in der ersten Version nicht vorhanden und irgendwie hatten wir das Gefühl, dass uns etwas Emotionales fehlen würde. Also haben wir überlegt, wie wir das ändern können und sind auf diese Figur gekommen, die – zumindest in Teilen – auf einer unserer Beraterinnen auf Tahiti basiert. Sie sprach mit so viel Würde von der Vergangenheit und der Kultur, war aber gleichzeitig sehr lustig und gewitzt. Daraus entstand dann Gramma Tala und das machte den Film gleich um ein Vielfaches stärker.

Osnat Shurer: Als wir den Film dort gezeigt haben, haben die meisten gleich von der Großmutter gesprochen und mochten die Figur. Wir haben den Film Menschen aus Ozeanien in Kalifornieren gezeigt, aber auch auf Fidschi und Tahiti, und sie waren alle sehr stolz darauf. Viele kamen sogar in ihrer traditionellen Kleidung zu den Vorführungen, was man dort offenbar noch nie gesehen hatte.

John Musker: Sie fühlten sich durch den Film sehr stark mit ihrer Kultur verbunden.

Ron Clements: Während unserer ersten Reise nach Tahiti trafen wir auf den Stammesältesten von Mo‘orea mit dem Namen Papa Mape und er sagte zu uns: „Seit Ewigkeiten werden wir von Eurer Kultur verschlungen. Könnt Ihr nicht dieses eine Mal von unserer verschlungen werden?“

Und genau das ist Ihnen gelungen, denn seit ich VAIANA gesehen habe, möchte ich nichts sehnlicher, als diese Welt mit meinen eigenen Augen zu sehen.

John Musker: Sehen Sie, genau das ist es, was wir erreichen wollten. Wir wollten den Menschen diese Kultur zeigen, die sie eben gerade nicht kennen. Wir wollten Ihnen ein Fenster in diese Welt geben und hoffentlich wird sie davon auch profitieren.

Ron Clements: Während unseres ersten Besuches sind wir auf viele Menschen getroffen, die damit unzufrieden waren, wie die Inseln in Filmen dargestellt wurden. Sie waren der Meinung, dass es jede Menge Stereotypen gab, sowie Dinge, die nicht der Welt entsprachen, die sie kannten. Also haben wir sie nach einem Film gefragt, der ihre Welt am Besten repräsentieren würde. Am häufigsten wurde uns darauf WHALE RIDER genannt, also haben wir uns auch ein wenig vom Ton dieses Films inspirieren lassen.

Osnat Shurer: Ein Teil dieser Inspiration hat uns dann in der englischsprachigen Version auch dazu gebracht, die Rollen mit Menschen aus dem süd-pazifischen Raum zu besetzen. Wir wollten Menschen, die sich dieser Welt verbunden fühlen.

Ron Clements: So wie Dwayne Johnson, der samoanische Wurzeln hat und der sehr stolz ist, dabei zu sein.

Und wer hätte gedacht, dass er so gut singen kann?

John Musker: Genau! Aber er ist genau der Typ, der nicht viel darüber nachdenkt, sondern es einfach macht. Lin-Manuel Miranda ist übrigens ein Wrestling-Fan und hat Dwayne seinerzeit im Ring gesehen, wenn er sich die Gitarre geschnappt hat und einen Diss-Song über seinen Gegner gespielt hat. Daher war ihm klar, wozu Dwayne fähig ist und schrieb den Song innerhalb seines Stimmumfangs. Außerdem wollte er unbedingt einen großkotzigen Song schreiben, ohne ihn dabei wie einen Idioten dastehen zu lassen. Er hat den Song explizit für Dwayne geschrieben, weil er aufgrund seines Charmes diesen angeberischen Song singen kann, man ihn aber trotzdem noch sympathisch findet.

Der Schauspieler Dwayne Johnson (l) und der Songwriter Lin-Manuel Miranda singen ihren Song "You're Welcome" bei der Weltpremirere von VAIANA im El Capitan Theatre in Hollywood am 14.11.2016.
Der Schauspieler Dwayne Johnson (l) und der Songwriter Lin-Manuel Miranda singen ihren Song „You’re Welcome“ bei der Weltpremirere von VAIANA im El Capitan Theatre in Hollywood am 14.11.2016.

Ich erinnere mich an ein Interview mit John Lasseter, in dem er einmal sagte, dass er viel lieber Monster, Fische oder Spielzeuge animieren würde, weil es so schwierig ist, Menschen zu animieren. Hier sehen wir jetzt aber fast ausschließlich Menschen.

John Musker: Es ist in der Tat sehr schwierig, Menschen zu animieren. Aber in den letzten zehn Jahren hat die Technik einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht.

Ron Clements: Die Animatoren bei Disney sind wirklich extrem gut und sie werden ständig besser. Gerade eine Figur wie Vaiana ist äußerst komplex in ihrer Darstellung. Aber auch die Technik wird immer besser.

Die Figuren in VAIANA sehen wirklich alle ganz wunderbar aus. Gerade das Wasser und die Natur sehen so real aus.

John Musker: Ich weiß. Der Vorteil solcher CGI-Filme ist, dass wir die Werkzeuge haben, um das Wasser so real aussehen zu lassen. Aber einige dieser Programme gab es noch gar nicht, als wir mit dem Film begonnen haben. Das erste Rendering des Wassers sah schon ziemlich gruselig aus. Das war uns bewusst, aber selbst nach Monaten hörten wir immer wieder, dass diese Szenen noch nicht fertig seien. Wir bekamen das Wasser im Vordergrund nicht in Einklang mit dem im Hintergrund. Man sah deutlich die Nähte, aber die Animatoren waren sicher, dass sie das in den Griff bekommen würden. Dann haben sie diese Werkzeuge entwickelt und jetzt sehen wir das Ergebnis.

Gerade beim Wasser mussten die Background-Designer mit den Character-Designern zusammenarbeiten, weil es ja eine eigene Figur im Film ist. Dann kamen noch die Licht-Designer dazu, die Lichtdurchlässigkeit, Brechung und Spiegelung hinzufügen. Sie sind alle zu den Inseln gereist und haben sich das Wasser vor Ort angeschaut, studiert und fotografiert. Dann haben sie versucht, diese Fotos zu duplizieren, aber es fühlte sich nicht so an, wie das, was sie dort gesehen hatten. Das hat noch mal sehr viel Arbeit gekostet, damit wir heute den Film sehen und denken „Wow, dieses Wasser sieht aber fantastisch aus“.

Das Gleiche gilt aber auch für die Haare!

John Musker: Oh ja, die Haare! Das sind die besten Haare, die ich je gesehen habe. Eine unserer Beraterinnen aus Samoa ist zu uns gekommen und sie hat diese wunderschönen langen Haare. Wir haben Wasser auf sie geschüttet, sie gedreht, eine Windmaschine aufgestellt und das dann alles studiert. Und dann haben wir eine Software entwickelt, die nicht nur Haarbüschel animiert, sondern einzelne Stränen. Dadurch konnten wir es gefühlvoll und poetisch aussehen lassen und dafür sorgen, dass ihr die Haare nicht ins Gesicht fallen.

Osnat Shurer: In der Computeranimation ist es zudem extrem schwierig, Haare zu berühren. Als wir bei Pixar THE INCREDIBLES machten, war es uns nicht erlaubt, die Haare zu anzufassen. Und jetzt haben wir Programme entwickelt, mit denen wir absolut alles mit den Haaren machen können.

Ron Clements: In den ersten Designs hatte Maui übrigens noch eine Glatze. Wir dachten zum einen, dass das cool aussehen würde, zum anderen hatten wir noch genug Probleme mit Vaianas Haaren. Als wir dann aber den Menschen auf Tahiti die Designs von Maui zeigten, bekamen wir zu hören, dass Maui auf gar keinen Fall glatzköpfig sei, sondern wunderschönes Haar habe. So haben wir ganz plötzlich die Komplexität des Filmes verdoppelt.

John Musker: Dann kam unser Art Director und meinte, dass Maui mit einer Halskette noch cooler aussehen würde. Also gaben wir ihm eine Kette. Darum musste sich aber die gleiche Abteilung kümmern, die schon mehr als genug mit den Haaren beschäftigt war. Das war dann eine weitere Stufe der Komplexität, aber sie haben auch dafür einen Weg gefunden.

Die Produzentin Osnat Shurer, der Regisseur Ron Clements, der ausführende Produzent John lasseter und der Regisseur John Musker
Die Produzentin Osnat Shurer, der Regisseur Ron Clements, der ausführende Produzent John lasseter und der Regisseur John Musker

Mir gefällt an Ihrer Arbeit besonders, wie viel Wert sie darauf legen, dass wirklich nur die besten Geschichten erzählt werden. Das geschieht ja hauptsächlich durch den sogenannten „Story Trust“m bei dem immer wieder die Regisseure und Autoren aller Filme zusammenkommen und gegenseitig ihre Filme begutachten. Bei VAIANA gab es jetzt sogar einen zweiten „Oceanic Story Trust“, oder wie muss ich das verstehen?

John Musker: Ja, das waren im Prinzip alle unsere Berater, die sich um weit mehr als nur die Story gekümmert haben. So hatten wir beispielsweise Experten für die Planzen, da wir diese möglichst wahrheitsgemäss aussehen lassen wollten, aber auch für die Kostüme, sowie die Art, wie die Häuser zum Wasser hin angelegt sind oder die Techniken des Segelns, worüber wir bereits eingangs sprachen.

Ron Clements: Der eigentliche „Disney Story Trust“ besteht aus den anderen Regisseuren, Drehbuchautoren und sonstigen Menschen, die an den Geschichten selbst arbeiten. Wir zeigen uns gegenzeitig unsere Filme und helfen uns in Bezug auf die Geschichten. Im „Oceanic Story Trust“ hingegen gab es Menschen von den Inseln, die wir konsultiert haben.

John Musker: Und wenn wir ehrlich sind, haben wir uns mit ihnen auch nie als Gruppe getroffen, sondern sie immer individuell befragt.

Ron Clements: Und um es noch weiter zu verkomplizieren gibt es auch noch den „Pixar Brain Trust“, mit dem wir uns auch immer mal wieder austauschen.

Gibt es denn immer noch einen Unterschied zwischen Disney und Pixar?

Ron Clements: Nun, es sind immer noch zwei unterschiedliche Studios mit unterschiedlichen Angestellten. Wir sind aber miteinander befreundet.

Osnat Shurer: Wir besuchen uns immer mal wieder gegenseitig, um einen frischen Blick auf unsere Projekte zu bekommen. Es ist aber immer schwierig, dafür den richtigen Moment zu finden. Man möchte seinen Film ja so gut wie möglich haben, aber immer noch so, dass man einen frischen Blick darauf erhält.

John Musker: Als wir VAIANA dem „Pixar Story Trust“ gezeigt haben, gab es zwei wesentliche Punkte. Zum einen gefiel ihnen, dass das Wasser eine eigenständige Figur war, und zum anderen mochten sie Mauis Tattoos. „Macht mehr daraus“, sagten sie zu uns, also haben wir das befolgt. Außerdem meinten sie zu der Szene, in der Vaiana das erste Mal auf den Ozean trifft, dass es toll wäre, wenn sie aktiv etwas machen würde, dass den Ozean dazu bringt, zu ihr zu kommen. Daher stammt die Idee, dass sie der kleinen Schildkröte hilft, sicher ins Meer zu gelangen, von Pixar.

Außerdem rieten sie uns, unseren Prolog etwas intensiver zu gestalten, damit gleich zu Beginn gewisse Dinge bekannt sind. Dadurch wurde der Beginn des Films um einiges stärker.

Lina Larissa Strahl und Andreas Bourani (vorne v.l.n.r.), die deutschen Stimmen von Vaiana und Maui, zusammen mit dem beiden Regisseuren Ron Clements (hinten links.) und John Musker (hinten rechts) sowie Produzentin Osnat Shurer (hinten Mitte)
Lina Larissa Strahl und Andreas Bourani (vorne v.l.n.r.), die deutschen Stimmen von Vaiana und Maui, zusammen mit dem beiden Regisseuren Ron Clements (hinten links.) und John Musker (hinten rechts) sowie Produzentin Osnat Shurer (hinten Mitte)

Können Sie uns noch einen kleinen Hinweis geben, an welcher Stelle wir den Schneemann Olaf aus FROZEN finden? Er soll ja irgendwo versteckt sein…

John Musker: Halten Sie einfach nach einer Karotte Ausschau, schließlich wäre es schwierig gewesen, einen ganzen Schneemann im Film unterzubringen. Aber es gibt noch viel mehr zu entdecken, z.B. Baymax, Aladins Wunderlampe, Sven, das Rentier aus FROZEN und Flounder, der kleine, fischige Freund von Arielle, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Ich glaube, wir könnten hier vermutlich noch stundenlang weiter reden, wenn wir die Zeit hätten. Vielen Dank für das Interview.

Das Interview haben wir am 25.11.2016 in Berlin geführt.

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