Als ob der Film von einem Zahnpasta-Hersteller gesponsert worden wäre – doch Scherz beiseite! Die apokalyptische Science-Fiction-Satire RICH FLU von Galder Gaztelu-Urrutia präsentiert uns eine Pandemie, die nur die Superreichen befällt. Die Symptome kurz vor dem unausweichlichen Tod sind strahlend-weiß gebleichte Zähne – was zugegeben ziemlich bescheuert aussieht.
Nachdem wir die mehrjährige Corona-Pandemie einigermaßen heil überstanden haben, ist für uns „Normalos“ die Grundidee dieses dystopischen Thrillers natürlich bestechend: Endlich trifft es nur die Reichen! Doch leider hält der spanische Regisseur diesen geglückten Satire-Ansatz nicht bis zum Ende durch…
Laura (Mary Elizabeth Winstead) ist leitende Angestellte einer aufstrebenden Streaming-Plattform und hetzt weltweit von Termin zu Termin. Die Ehe mit Toni (Rafe Spall) besteht nur noch auf dem Papier, und sie sieht ihre Tochter Anna (Dixie Egerickx) eher selten. Ihr Chef Sebastian Snail (Timothy Spall) beordert sie ins verschneite Alaska, um ihr ein lukratives Angebot zu machen. Was sie nicht weiß: Nach dem Ausbruch einer geheimnisvollen Krankheit, die nachweislich nur Milliardäre und Millionäre befällt, hat sich Snail aus Angst vor dem tödlichen Virus im hohen Norden versteckt, um sein Geld schleunigst und heimlich loszuwerden. Zu dumm, jetzt ist auch Laura steinreich.
Das Virus bringt die westliche Welt an den Abgrund: Wirtschaftsimperien wanken, der Aktienmarkt bricht ein und ein flächendeckendes Chaos ist nicht mehr zu übersehen. Diesen Kollaps der Industriestaaten hat Galder Gaztelu-Urrutia effektvoll als Pseudo-Dokumentation mit vielen Social-Media- und TV-Einschüben inszeniert. Und Laura steckt mittendrin in diesem Chaos. Ihr einziger Gedanke: Flucht!
Jetzt, nach ungefähr der Hälfte, kippt der Film komplett um: Aus einer überdrehten Satire wird ein moralinsaures Flüchtlingsmelodram. Seit Jahren bewundern wir im Kino die vielen aufwühlenden und oft dokumentarisch angehauchten Sozialdramen über verzweifelte Afrikaner und Asiaten, die auf wackeligen Booten das Mittelmeer zu überqueren versuchen – oder dabei ertrinken. In RICH FLU sind es jetzt die Europäer, die diesen Weg wagen, aber in umgekehrter Richtung.
Laura hatte erfahren, dass irgendwo in Afrika noch virusfreie Zonen existieren. So macht sie sich mit Noch-Ehemann Toni, Tochter Anna und Mutter Martha (Lorraine Bracco) auf die abenteuerliche Reise. Am Ende landen die Flüchtlinge in einer archaisch lebenden Kommune am Indischen Ozean. Dort wird ihnen – und uns – quasi als filmisches Traktat im Film erklärt, wie Währungen entstehen: Hier am Strand sind Steine das alleinige Zahlungsmittel…
Von der Dystopie-Parabel zur Robinsonade – das kann funktionieren, muss es aber nicht. Wie hier! Denn der brutale Stilbruch ist RICH FLU nicht gut bekommen und wirkt lächerlich. Auch machten sich Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia, der auch am Drehbuch beteiligt war, und seine Co-Autoren Pedro Rivero, Sam Steiner und David Desola nicht die Mühe, das Geheimnis hinter dem Virus wenigstens ansatzweise zu erklären. So verläuft sich trotz Starbesetzung der auf Englisch gedrehte Film nach brillantem Beginn sprichwörtlich im Sande. Schade!
Rich Flu (USA / Kolumbien / Spanien 2024)
117 Minuten
Thriller
Galder Gaztelu-Urrutia
Pedro Rivero, Galder Gatzelu-Urrutia, Sam Steiner, David Desola
David Desola, Galder Gaztelu-Urrutia
Jon D. Domínguez
Mary Elizabeth Winstead, Timothy Spall, Lorraine Bracco, Rafe Spall, Jonah Hauer-King, Dixie Egerickx, César Domboy, Dayana Esebe
Leonine Distribution GmbH