Das österreichische Kino ist bekannt für seine bizarren, leicht verschrobenen Filme. Auch die herrlich schräge Sozialsatire PFAU – BIN ICH ECHT? von Bernhard Wenger gehört dazu. In seinem Spielfilmdebüt präsentiert uns der Regisseur, der auch das Drehbuch schrieb, eine hintergründige und sehr komische Parabel über Identitätsverlust, die so wunderbar in unsere Zeit passt.
Matthias (Albrecht Schuch), Mitinhaber der Wiener Agentur „My Companion“, ist ein Meister seines Fachs. Suchen Sie einen „kultivierten Freund“ als Begleiter? Das menschliche Chamäleon Matthias ist Ihr Mann. Für jeden seiner Auftritte bereitet er sich gewissenhaft vor, auch wenn das Meiste nur angelesen ist. So brilliert er bei einem feudalen Gartenkonzert mit klugen Bemerkungen über den Avantgarde-Komponisten Helmut Lachenmann, in der Schulstunde „Der Beruf meines Vaters“ taucht er in Pilotenuniform als perfekter Vorzeige-Vater auf.
In seiner stylisch ausgestatteten Luxusvilla ist ein Raum bis an die Decke mit Kartons vollgestopft – für jede Rolle eine andere „Arbeitskleidung“ und die dazu passenden Utensilien. Dass er komplett in seinem Beruf aufgeht und dabei seine Freundin Sophia (Julia Franz Richter) vernachlässigt, ist ein Problem. Sie wirft ihm Gefühllosigkeit vor: „Bist du überhaupt noch du selbst?“ Beim Versuch eines Versöhnungsgesprächs muss er sich sogar, um überzeugender zu wirken, künstliche Tränen unter die Augen schmieren. Und scheitert!
Matthias verliert allmählich den Boden unter den Füßen – und die Aufträge werden immer absurder. Eine ältere Frau, Vera (Maria Hofstätter), will sich nach langen Ehejahren gegen ihren dominanten Mann zur Wehr setzen und endlich das Streiten lernen. Zu dumm, dass ihr Mann davon erfährt und aus Wut den Ehekrach-Coach verfolgt und nachts bedroht. Diese Episode wartet sogar mit einigen vergnüglichen Horrorelementen auf.
Matthias benimmt sich immer paranoider: Als er die rätselhafte Norwegerin Ina (Theresa Frostad Eggesbø) näher kennenlernt, glaubt er allen Ernstes, dass SIE auf IHN angesetzt sei. Und als er bei der Feier zum 60. Geburtstag seines reichen Kunden Johann (Branko Samarovski) als „Sohn“ eine Rede halten soll, rastet er völlig aus und sprengt die Party mit einer spektakulären Performance. Diese Szene hat Bernhard Wenger unübersehbar vom Cannes-Gewinner „The Square“ (2017) von Ruben Östlund abgekupfert – ein verzeihliches Plagiat mit Augenzwinkern…
Wer einen bestimmten, aktuell im Kino laufenden Film mit ähnlicher Thematik bereits gesehen hat, wird sich in PFAU – BIN ICH ECHT? verdutzt die Augen reiben: Wie real ist die Figur des Mannes, der ständig in andere Rollen schlüpft und sein „Ich“ scheinbar verloren hat? In den Zeiten von KI kommen einem da so seine Gedanken. Welche Rolle spielt dabei die Computerstimme in seiner Villa, die ihn mit gewünschten Songs über die Boxen versorgt? Denn auch das kann schief gehen. Welch eine saukomische Szene!
Natürlich dreht sich der Film im Kreise. Natürlich wiederholt sich vieles. Doch diese Struktur hat Methode. Sie ist Abziehbild eines nicht gelebten Lebens in einer Scheinwelt. Das klingt nach philosophischer Parabel, doch PFAU – BIN ICH ECHT? ist eine köstliche Tragikomödie – sperrig, vertrackt und lange nachwirkend. Ein tolles Regiedebüt! Mit einem überragenden Albrecht Schuch, vielen bekannt aus „Systemsprenger“ und „Berlin Alexanderplatz“.
Übrigens: Der titelgebende Pfau als Symbol der Eitelkeit taucht als Vogel immer wieder auf!
Pfau – Bin ich echt? (Deutschland 2024)
102 Minuten
Drama / Komödie
Bernhard Wenger
Bernhard Wenger
Albin Wildner
Albrecht Schuch, Julia Franz Richter, Anton Noori, Theresa Frostad Eggesbø, Salka Weber, Maria Hofstätter, Branko Samarovski
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